13.07.2018

Weltcup Berlin: Interview mit Richter & Kroppen

„Wir wollen in Berlin mit der Mannschaft eine Medaille gewinnen!“ Elena Richter nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn sie auf die Ziele für den Bogen-Weltcup in Berlin (17.-22. Juli) angesprochen wird. Die Berlinerin und ihre Mannschafts-Kollegin Michelle Kroppen, die jüngst Platz zwei beim Weltcup in Salt Lake City gewann, äußern sich im Interview zudem zur Konkurrenz, zum Trainingspensum und Tokio 2020.

 
Elena, das Heimspiel, der Weltcup in Berlin, steht vor der Tür. Ist es etwas Besonderes?
Richter: „Auf jeden Fall! Es ist meine Stadt und hat andere Aufregungen als Weltcups im Ausland. Ich finde es schön, weil viele Leute da sind, die einen unterstützen – das ist im Ausland eher nicht so!“

 
Elena, das Jahr verlief bis jetzt hervorragend! Doppel-Weltmeister in der Halle, Platz zwei und vier mit dem Team bei den Weltcups. So kann es weitergehen, oder?
Richter: „Ja, jetzt wird sich im Einzel noch weiter vorgekämpft. Halle war ja gut, aber es war ,nur‘ Halle, deshalb strebe ich in Berlin einen Platz unter den Top Acht an.“

 
Michelle, du hast zudem noch im Einzel einen draufgesetzt, Platz zwei in Salt Lake City. Wie kam es zu diesem Coup?
Kroppen: „Ich muss gestehen, nach der Qualifikationsrunde habe ich damit nicht gerechnet, wie auch allgemein. Die Qualifikation habe ich – bei schwierigen Windverhältnissen – mit einer 58 beendet, und da habe ich gedacht, ich kann´s ja doch. Für die Finalrunde habe ich dann bei jedem Schuss mein Bestes gegeben, aber natürlich gehört auch Glück dazu, im richtigen Moment die richtigen Pfeile zu schießen!“

 
In Salt Lake fehlte die dominierende Nation, Südkorea. Was zeichnet die Koreaner aus? Warum sind sie so stark?
Kroppen: „Zum einen gehört dazu, dass die Bogenschützen in Korea ganz anders angesehen werden. Es wird früh darauf geachtet, wer von der Konstitution für das Bogenschießen geeignet ist, das Finanzielle ist besser, und sie haben auch bessere Trainingsmöglichkeiten und können deutlich mehr Schuss machen als wir.“

 
Kann man diese Übermacht überhaupt durchbrechen? Und wenn ja, wie?
Richter: „Kann man, klar! Das sieht man ja auch, dass sie immer mal wieder geschlagen werden. Im Endeffekt, wie auch unser Sportpsychologe immer sagt, geht es darum, die Wahrscheinlichkeiten zu erhöhen. Wir sind dabei, unsere Wahrscheinlichkeiten zu erhöhen, und deswegen wird es immer wieder vorkommen. Wie kann man es tun? Indem man mutig sein Ding macht, und wenn man gut startet, gucken die sich auch um und werden unsicher.“

 
Der Bogensport hat nach der olympischen Silbermedaille von Lisa Unruh in Rio einen Schub bekommen. Was macht den Reiz des Sports aus?
Kroppen: „Für mich ist das Tolle am Bogensport, dass man jedes Mal, für jeden Schuss sein Bestes geben kann. Wenn es bei drei Pfeilen nicht geklappt hat, dann geht es mit den nächsten Pfeilen bei Null los. Es ist keine Sportart, die man messen kann. Es können immer Überraschungen passieren, und es ist ein tolles Gefühl, sich in den Schuss reinsteigern zu können und den perfekten Schuss zu landen.“

 
Körper und Geist müssen Hand in Hand gehen, sagt man so schön. Wie wichtig ist im Bogensport die mentale Komponente und was tut ihr dafür?
Richter: „Sehr wichtig! Wenn ich es beziffern müsste, würde ich sagen, 70% ist Kopfsache. Man muss sich seiner Sache sicher sein, es geht um Entspannungstechniken, gerade, wenn man durch die halbe Welt gereist ist. Man benötigt Instrumente, um sich nach einer aufregenden Situation zu ,resetten‘ und sich weieder runterzuholen.“

 
Und wie sieht euer Trainingspensum generell aus? Beschreibt mal eine „normale“ Trainingswoche in dieser Phase, in der ihr jetzt seid!
Kroppen: „In dieser Woche haben wir 1300 Schuss auf dem Plan stehen. Dazu kommt einmal im Monat eine Challenge, angefangen mit 400 Schuss pro Tag bis zuletzt 800 Schuss pro Tag. Wir splitten die 1300 Schuss pro Woche meistens auf die fünf Tage auf, haben unsere unterschiedlichen Möglichkeiten wie Techniktraining, Video, Leistungskontrollen, Mannschaftsschießen. Dazu macht jeder ein eigenes Programm wie Koordinationstraining, spezielles Krafttraining fürs Bogenschießen – jeder das, was ihm guttut.“
Richter: „Natürlich machen wir auch Athletiktraining und Ausdauer!“

 
800 Schuss am Tag. Wie lange benötigt man dafür?
Kroppen: „Ich habe es jetzt versucht und musste nach 740 Schuss abbrechen, weil es körperlich einfach nicht mehr ging. Ich war von 7.30 Uhr bis 22.30 Uhr auf dem Platz!“

 
Ihr trainiert beide in Berlin bzw. Kienbaum. Welche Vorteile bietet eine gemeinsame Trainingsgruppe?
Richter: „Zum einen steigert es die Lust und den Antrieb, denn wenn man alleine ist, ist man natürlich auch gut zu sich selbst und würde morgens vielleicht eine Stunde länger im Bett bleiben. Zum anderen bietet es Vergleichsmöglichkeiten, man wird von den anderen gepusht und kann Trainingsmatches schießen.“

 
Der Name Lisa Unruh fiel eben, der immer genannt wird, wenn es um den deutschen Bogensport geht. Nervt das eigentlich oder lebt es sich in ihrem „Schatten“ ganz gut?
Kroppen: „Jeder möchte gerne ganz oben stehen, nicht um in der Öffentlichkeit zu stehen, sondern weil man seine Ziele erreichen und Medaillen gewinnen möchte. Es ist schön, dass Lisa so einen Erfolg feiern konnte. Das hat uns alle gefreut, denn dadurch kam der Bogensport ins Rampenlicht – und das ist sehr schön, egal, wem das gelingt!“

 
Lisa nennt ihren Bogen „Beauty“! Habt ihr auch Kosenamen für euer wertvollstes Stück?
Beide (lachen): „Nein!“

 
Der Weltcup in Berlin steht an. Wo steht der deutsche Bogensport 2018, zwei Jahre nach Rio und zwei Jahre vor Tokio?
Richter: „Schwierige Frage! Ich würde sagen, wir stehen wie auch 2016 sehr gut in der Welt. Damals waren wir Achte in der Weltrangliste und haben leider die Qualifikation für Rio als Team nicht geschafft. Wir gehören zu den führenden Nationen mehr denn je, hatten eine Umstrukturierung im Damenbereich. Eine Schützin ist ausgeschieden, eine Neue, Michelle, ist dazu gekommen, und konnten direkt an die Leistung anknüpfen. Ich bin der Meinung, dass wir mindestens zu den Top Acht der Welt dazu gehören.“

 
Elena, du warst schon 2012 in London dabei, Michelle, für dich wäre es Olympia-Premiere. Was sind eure persönlichen Ziele?
Kroppen: „Ich denke, für jeden Sportler ist das große Ziel, einmal bei Olympischen Spielen dabei zu sein. Und auch für Sportlerinnen wie Elena oder Lisa, die schon einmal dabei waren, möchte man nochmals dahin.“
Richter: „Dem würde ich völlig zustimmen. Dazu muss man sagen, dass es – gerade von den Medien – etwas undankbar ist: Man reißt sich jeden Tag, den A… auf und am Ende zählt doch nur dieses eine Event, das alle vier Jahre stattfindet und an dem nur 64 Starter teilnehmen. Wenn man sich dort das Teilnehmerfeld ansieht, ist es wesentlich schlechter besetzt als eine Weltmeisterschaft oder mancher Weltcup. Aber natürlich ist es ein absolutes Highlight.“

 
Dann gehen wir auf das andere Highlight, den Weltcup in Berlin zurück. Was wollt ihr dort erreichen?
Richter: „Im Einzel die Top Acht und mit der Mannschaft eine Medaille.“
Kroppen: „Ich würde gerne an die Leistung von Salt Lake City anknüpfen. Dabei rede ich nicht von einer Medaille, sondern ich möchte zufrieden sein, mit dem, was ich mache. Vielleicht habe ich das Glück, mich für das Weltcup-Finale zu qualifizieren, die Möglichkeit habe ich noch. Aber es ist nicht das primäre Ziel.“

 

Text: DSB, Bild Eckhard Frerichs