09.03.2023

The new kings are crowned!

Bogensportler feiern die 10. Auflage der Kings of Archery Series (JVD Open)
Von Anna Lena Gangluff (Fotos: Dean Alberga)
Leseprobe aus dem BOGENSPORT MAGAZIN 1/2023


Nachdem in der Außensaison in diesem Jahr wieder langsam aber sicher die gewohnte Normalität die Turniere bestimmte, kehrte auch nach zwei Jahren Zwangspause das international beliebte Kings of Archery Series – JVD Open Turnier – in den Niederladen zurück. Vom 11. bis zum 13. November 2022 fand das größte Hallenturnier der Niederlande in Eindhoven statt.

Bereits 2020 sollte die zehnte Ausgabe des Hallenturniers stattfinden. Wegen der Pandemie musste das Ganze aber sowohl 2020 als auch 2021 verschoben werden. Umso größer war die Freude, als bekannt wurde, dass das Turnier 2022 wieder ausgerichtet werden kann.
Von Jahr zu Jahr wuchs das Turnier und begeisterte immer mehr Bogensportler. Das Erfolgsrezept? Das Format. An der Schießlinie trifft man sowohl auf internationale Spitzensportler wie Mike Schloesser (NED), Kris Schaff (USA) oder Penny Healey (GBR), die bereits während der Außensaison immer wieder mit starken Leistungen auf sich aufmerksam machten. Genau so kann aber auch der „normale“ Breitensportler einen der begehrten Startplätze für das Turnier ergattern. Wann hat man schon die Chance, bei einem internationalen Preisgeldturnier die Besten der Bogensportszene zu sehen, mit ihnen zu sprechen oder gar mit ihnen auf einer Scheibe zu stehen? Solche Erfahrungen will sich niemand entgehen lassen. Gerade für deutsche Schützen kommt noch hinzu, dass sie den Austragungsort in den Niederladen recht schnell und unkompliziert erreichen können.
Auch in den sozialen Netzwerken wird das Format gefeiert. „Das beste Turnier in Europa“ liest man täglich. Für viele Bogenschützen ist Kings of Archery seit Jahren fester Bestandteil in ihren Terminkalendern. Die meisten von ihnen haben die Entwicklung von einem kleinen freundschaftlichen Turnier bis zu dem großen gefeierten Event, das es heute ist, hautnah miterlebt. Trotz des Wachstums haben es die Veranstalter geschafft, diese gewisse Atmosphäre beizubehalten. Für viele ist es eher ein Wiedersehen mit guten Freunden, und der Leistungsdruck nimmt nicht unbedingt überhand.


SIDEFACT:  Wusstet ihr, worüber sich den meisten Teilnehmern den Kopf zerbrechen? Den Walk Up Song. Wer sich bei dem Turnier anmeldet, muss bei der Anmeldung einen Walk Up Song benennen, der gespielt wird, falls der entsprechende Starter in das Finale einzieht. Sander Doldermann ruft aber auch hier scherzend zu mehr Kreativität auf: „Jedes Jahr gibt es so viele Schützen, die „Thunderstruck“ von AC/DC wollen. Überlegt euch mal etwas Ausgefalleneres!“ Wer also nächstes Jahr dabei sein will, sollte dieses Detail nicht unterschätzen und früh genug mit der Suche nach dem Song anfangen.


Umso weniger verwundert es, dass über 900 Startplätze in diesem Jahr innerhalb weniger Stunden ausgebucht waren. Insgesamt meldeten sich Schützen aus 42 Ländern an. Die meisten Anmeldungen kamen aus Deutschland. Doch Kings of Archery bietet neben dem eigentlichen Wettkampf noch viel mehr. So findet über das ganze Wochenende eine Art Messe um das Wettkampffeld statt, bei der über 20 Marken aus dem Bogensport ihre (neusten) Waren präsentieren und verkaufen. Hoyt, Beiter oder Win&Win sind nur einige der Aussteller. Zusätzlich gibt es noch ein kostenloses Seminarprogramm. Interessierte können beispielsweise Seminare von Hoyt besuchen, wo die neuen Bögen vorgestellt werden. Es gibt aber auch Seminare, die sich zum Beispiel mit Mentaltraining befassen. In diesem Jahr wurde auch eine Fragerunde mit Mike und Gaby Schloesser angeboten, bei der man die beiden alles fragen konnte, was man schon immer mal so wissen wollte.

Von 25 zu fast 1000 Startern mit zehn Ausgaben – eine Erfolgsgeschichte
Weil im vorigen Jahr die zehnte Ausgabe des Formats zelebriert wurde, machen wir noch mal einen kleinen Sprung in die Vergangenheit und schauen uns die Entstehungs- und Erfolgsgeschichte an. Sander Doldermann, einer der Hauptverantwortlichen und Gründer, gewährt Einblicke in seinem Podcast mit Raymon Markus „Nerves of Steel“, benannt nach dem gleichnamigen Nebenevent während des Kings of Archery-Wochenendes. Inspiriert wurde Doldermann damals vom Vegas Shoot, an dem er selbst teilnahm. So lud er im ersten Jahr von Kings of Archery 25 seiner Freunde aus den Niederlanden, Belgien und Deutschland zu seinem Heimatverein ein, um ein kleines Turnier unter Freunden nach den Vegas-Regeln auszutragen. Schon damals wurde viel Wert darauf gelegt, dass jede Wettkampfklasse im Anschluss an die Quali-Runde ein Finale austragen kann. Diese Idee und die damals noch sehr intime Veranstaltung sorgten für Begeisterung in der Bogensportszene, sodass das Turnier im nächsten Jahr wiederholt wurde. Doldermann erinnert sich: „Ich glaube, wir waren drei Jahre bei meinem Heimatverein. Im letzten Jahr nahmen etwa 100 Sportler am Wettkampf teil. Für uns war das ein Wendepunkt: Wie sollten wir weitermachen?“ Man wollte, dass das Turnier wächst. Damit sind aber auch hohe Kosten verbunden: Man muss in Scheiben investieren, ein größerer Austragungsort musste her.
Und diesen fand man. Unter den neuen Umständen konnte das Event nach und nach zu dem werden, was es heute ist. Aus dem kleinen familiären Schießen unter Freunden wurde langsam das, was wir heute unter Kings of Archery verstehen. Es konnten immer mehr Ideen umgesetzt werden, aus „Fehlern“ wurde gelernt, und die Teilnehmerzahlen stiegen mit jedem Jahr. Vor allem wurde das Event aber auch immer internationaler, denn mittlerweile kamen schon Schützen aus Amerika und aus den verschiedensten Ecken in Europa, um den Titel zu holen.
Im Jahr 2017 war dann allerdings auch die neue Location innerhalb von ein bis zwei Stunden vollkommen ausgebucht – erneut musste eine neue Lösung her. „Kosten verfünf- oder versechsfachten sich teilweise, wenn wir es größer aufziehen wollten. Das war beängstigend!“, erinnert Doldermann sich. „Wir waren sogar einmal an dem Punkt, die Marke Kings of Archery zu verkaufen.“ Im Jahr 2018 entschloss sich aber JVD, einer der weltweit führenden Vertriebspartner im Bogensportbereich mit Sitz in den Niederlanden, nach langen Gesprächen dazu, einzusteigen. Die Firma spielte schon länger mit dem Gedanken, ein Turnier zu kreieren, das ihren Namen trägt und das Potenzial dazu hat, eines der größten in Europa zu werden. Von 340 Startern kam man plötzlich an fast 1000 Startplätze, die vergeben werden konnten. Dafür zog man in die neue Location in Eindhoven um, die bis heute noch Austragungsort ist.
2018 fand auch zum ersten Mal die zusätzliche Messe mit Ausstellern rund um das Wettkampffeld statt. „Es war eine Win-Win-Situation für uns und JVD“, erinnert sich Doldermann, „wir möchten, dass die Teilnehmer das Turnier mit mehr Wissen, mit positiven Eindrücken, guten Gesprächen und auch vielleicht mit neuem Material verlassen. Und JVD möchte, dass ihre Kunden und Bogensportler direkten Kontakt mit Herstellern haben können.“ In diesem Zug kamen auch die Seminare für Jedermann dazu. Nach einer erfolgreichen Ausgabe 2018 wurde 2019 alles noch einmal übertrumpft. Dann kam die Pandemie. Und was dann kam, lest ihr hier!

In welchem Modus wird das Turnier eigentlich geschossen?
The Vegas Shoot war eine der Vorlagen für das Turnier. In Eindhoven schießt jeder Teilnehmer 90 Pfeile. 60 Pfeile samstags, 30 Pfeile sonntags, 900 Ringe sind als Maximum erreichbar. Alle Bogenschützen, mit Ausnahme von Blankbogenschützen und jenen, die von World Archery als sehbehindert eingestuft werden, schießen auf die einen Dreier-Spot. Blankbogenschützen haben die Möglichkeit, eine 40 Zentimeter-Auflage mit den Wertungsringen eins bis X zu wählen.
Ins Finale ziehen die besten acht nach der jeweiligen Qualifikation ein – oder alle, die eine 900 geschossen haben.
In diesem Jahr schossen insgesamt 28 Teilnehmer eine perfekte 900, unter ihnen ein Deutscher: Felix Wieser. Für ihn war es die erste Teilnahme an dem Format. „Es klingt einfach, man muss „nur“ das Gold treffen, um eine 900 zu erzielen. Gleichzeitig heißt es aber, du verlierst, wenn du nur eine Acht triffst. Und das bei 90 Pfeilen!“, sagte Wieser. Für manche scheint es einfacher auszusehen, aber dem Druck muss man auf die Distanz eben auch erst mal standhalten.
Für einen Rekord sorgten die beiden Recurveschützinnen Penny Healey (GBR) und Laura van der Winkel (NED). Beide schossen als erste Recurvedamen ebenfalls eine perfekte 900 in der Qualifikationsrunde, das gab es bei Kings of Archery noch nie.
Für alle, die sich nicht über die reguläre Qualifikation für das Finale qualifizieren, gibt es noch eine Jokerrunde, über die man einen Platz gewinnen kann. Das Finale wird wie in Vegas nach dem „last archer standing“-Prinzip geschossen, der Letzte, der noch steht, gewinnt.
Wer es nicht nach Eindhoven schafft, kann die spannenden Finalrunden online live verfolgen oder nachschauen.


Die Wertung während der Qualifikation sieht folgendermaßen aus:
Compound: (gelb) X10-10-9; (rot) 8-7; (blau) 6
Recurve: (gelb) X10-X10-10; (rot) 8-7; (blau) 6
Blankbogen: (gelb) X10-X10-10; (rot) 8-7; (blau) 6

Während der Finalrunde(n) ändert sich die Wertung dann noch einmal:
Compound: 1. und 2. Passe: (gelb) X10-10-9; (rot) 8-7; (blau) 6
Jede weitere Passe: (gelb) 10-9-9; (rot) 8-7; (blau) 6

Recurve: 1. und 2. Passe: (gelb) X10-X10-10; (rot) 8-7; (blau) 6
Jede weitere Passe: (gelb) X10-10-9; (rot) 8-7; (blau) 6

Blankbogen: 1. und 2. Passe: (gelb) X10-X10-10; (rot) 8-7; (blau) 6
Jede weitere Passe: (gelb) X10-10-9; (rot) 8-7; (blau) 6


Wer zeigt Nerven aus Stahl?
„Nerves of Steel ist ein Side Event an dem Wochenende. Wir sind aber nicht wirklich die Erfinder von einem solchen Format. Ich habe diese Art des Schießens bereits vor etwa 15 Jahren in einem Video gesehen“, erläutert Doldermann.
Nerves of Steel ist eigentlich recht simpel erklärt: Man schießt einen Pfeil auf eine Scheibe, die mit einer Stahlplatte bedeckt ist. In der Mitte dieser Platte befindet sich ein Loch, die sogenannte „Safe Zone“. Trifft man diese Zone und damit die weiche Scheibe, ist man eine Runde weiter. Trifft man auf Stahl, verfehlt man die Safe Zone oder geht der Pfeil in irgendeiner Weise kaputt, ist man raus. Begonnen wird mit der größten Safe Zone, die einen Durchmesser von zwölf Zentimetern hat. Nach jeder Runde wird dieser Durchmesser verkleinert, bis das Minimum von zwei Zentimetern erreicht ist. Das Ganze läuft, bis nur noch ein Schütze übrig ist. Um es in den Worten von Doldermann zu sagen: „Go big or go home! Dieses Motto, Nerven aus Stahl zu haben, steht doch auch für so viel mehr, ob es jetzt den Bogensport oder das Leben betrifft. Dass man in aufregenden Zeiten die Nerven hat, das zu zeigen und zu leben, was man trainiert hat.“ In diesem Jahr hieß „the last archer standing“ Christian Gravesen aus Dänemark. „Für mich war das Turnier eine Erfahrung, die über vieles hinausgeht, was ich bisher ausprobiert habe“, erzählt der Compoundschütze. „Ich kam dort an und hatte einen Startplatz für Nerves of Steel. Ich wusste, dass ich es schaffen kann, und mein Ziel war es, zu gewinnen. Aber ich wollte vor allem auch mir selbst beweisen, dass ich mental ruhig bleiben kann, vor allem in dem Wissen, dass mein Pfeil zerstört sein wird, sobald ich das Ziel verfehle.“ Und ruhig blieb er bis zum Schluss. Zuvor scherzte er noch mit einem Freund darüber, dass er extra für Nerves of Steel neue Pfeile gekauft hatte. Ganz nach seinem Motto: „Sie gehen nur kaputt, wenn man nicht trifft, oder?“

Wer Kings of Archery noch nicht auf seiner Liste stehen hat, sollte dies ändern und sich die Chance nicht entgehen lassen. Ob als Teilnehmer oder Zuschauer, dieses Wochenende bietet für jeden was! Der Termin für 2023 steht schon: Vom 10. bis zum 12. November werden die neuen „Kings of Archery“ gesucht und gekrönt. Und auch den diesjährigen Nerves of Steel-Gewinner wird man dann wohl wiedersehen: „Ich werde nächstes Jahr zurückkommen, und ich würde wirklich jedem empfehlen, es auch zu tun und auszuprobieren.“ Wer die Wartezeit überbrücken will, kann bis dahin auf den gängigen Streamingplattformen den Nerves of Steel Podcast anhören. Bisher gibt es zwar nur zwei Folgen, aber auch hier können sich Fans auf weitere Fortsetzungen freuen.


Ergebnisse nach Finale:

Compound Herren
1. Rishabh Yadav (IND)
2. Mike Schloesser (NED)
3. Mathias Fullerton (DEN)

Compound Damen
1. Ella Gibson (GBR)
2. Tanja Gellenthien (DEN)
3. Elisa Roner (ITA)

Compound Senioren
1. Wolfgang Wiener (AUT)
2. Luc Verdeyen (BEL)
3. Jens Asbach (GER)

Recurve Herren
1. Steve Wijler (NED)
2. Sachin Gupta (IND)
3. Federico Musolesi (ITA)

Recurve Damen
1. Gaby Schloesser (NED)
2. Penny Healey (GBR)
3. Audrey Machinet (FRA)

Blankbogen Herren
1. Giuseppe Seimandi (ITA)
2. Timo Durchdewald (GER)
3. Daan Saft (NED)

Blankbogen Damen
1. Carol-Anne Seez (GBR)
2. Tatiana Khrustaleva (ISR)
3. Olivia Elamsson (SWE)

Text: Anna Lena Gangluff
Bilder: Dean Alberga