08.01.2024

Mathias Kramer im Trainingsprozess

Von Günter Kuhr (Foto: BSM / M. Kramer)
Leseprobe aus dem BOGENSPORT MAGAZIN 6/2023

Im Oktober 2021 wurde Mathias Kramer in den Bundeskader berufen. 2023 gewann er in der Klasse U21 die Bronzemedaille bei der Weltmeisterschaft der Junioren. Nach Abschluss seiner Ausbildung zum Schlosser wurde Mathias Kramer aufgrund einer Empfehlung des Bundestrainers im April 2023 Sportsoldat bei der Bundeswehr und ist dort aktuell Obergefreiter. Er tritt mit dem neuen Sportjahr im Herrenteam an und hat sich mit anderen Athleten des Bundeskaders das Ziel gesetzt, die Anzahl der Quotenplätze der Männer für die Olympischen Spiele 2024 von aktuell einem Startplatz auf drei zu erhöhen. Darauf richtet Mathias Kramer sein Training aus. Wir werden dieses Trainingsjahr hier im Bogensport Magazin für ein Jahr begleiten und damit einen Einblick in das Training im Leistungssport geben.

Mit seinem letzten Pfeil im Goldfinale der Junioren bei der Deutschen Meisterschaft im Freien 2023 holte sich Mathias Kramer sein DM-Gold. Dieser letzte Pfeil leitete für ihn auch das Ende der Freiluftsaison ein. Als Sportsoldat stand er bereits in der Grundausbildung bei der Bundeswehr, die für ihn im September 2023 in Hannover startete. Im Ausbildungszentrum der Bundeswehr verbrachte der Sportsoldat seine Regenerationsphase und ließ in dieser Zeit den Recurvebogen stehen. Die freien Wochenenden nutzte Mathias für ein entspanntes Training mit dem Compoundbogen auf dem Bogensportgelände seines Heimatvereins in Werlte. „Es war keine Regeneration mit Urlaub, wie es üblich wäre, und dennoch eine regenerative Zeit, um den Kopf freizubekommen vom hohen Trainingspensum im Bogenschießen. Insofern konnte ich die Zeit für die Regeneration nutzen“, sagte Mathias über die Zeit der Grundausbildung bei der Bundeswehr.

Mit der sportmedizinischen Untersuchung ins neue Sportjahr

Am 4. Oktober startete Mathias seine Wiederaufnahme des Trainings zunächst auf dem Bogensportgelände seines Heimatvereins, am 9. Oktober begann das offizielle Bundeskadertraining des neuen Sportjahres. Gleich zum Beginn der Wiederaufnahme des Trainings erfolgen erste Gespräche mit dem Bundestrainer sowie eine sportmedizinische Untersuchung am Institut für Angewandte Trainingswissenschaften (IAT) in Leipzig.

Zielstellungen

Das neue Sportjahr hat begonnen und damit auch eine Zielstellung für Mathias, die hier sehr allgemein dargestellt werden soll. In Bezug auf die Technikarbeit hat er sich das Ziel gesetzt, die Konstanz seiner Bewegungsausführung zu verbessern. Damit möchte er ein hohes Leistungsniveau stabilisieren und sich in das Team hineinarbeiten, das 2024 um die noch verfügbaren Quotenplätze für die Olympischen Spiele antreten wird. Für die kaderinternen Ausscheidungen visiert Mathias die Teilnahme an der Europameisterschaft und den Olympischen Spielen an.

Training in der Vorbereitungsperiode 1

Die Vorbereitungsperiode 1 (VP 1) startete zum Beginn des neuen Sportjahres im Oktober. Sie bestimmt die Trainingsinhalte und die Trainingsumfänge. Der Bundestrainer entwickelt für die Athleten die Trainingspläne. Angesetzt sind in der VP 1 rund 1000 bis 1500 Trainingspfeile pro Woche sowie 300 Minuten für das Athletiktraining. Dabei handelt es sich um Minimalwerte, die von den Athleten auch hochgesetzt werden können. Mathias kann als Sportsoldat ein höheres Pensum leisten und trainiert in dieser Trainingsperiode eher 1500 bis 2000 Pfeile in der Woche. Für das allgemeine Krafttraining nutzt Mathias überwiegend den naheliegenden Athletikraum am Olympiastützpunkt Berlin. Dieses Krafttraining hat bei den hohen Pfeilzahlen eine besondere Bedeutung, um unter anderem auch muskuläre Dysbalancen auszugleichen. Für das Lauftraining nutzt Mathias Laufstrecken an nahegelegenen Seen oder bei schlechtem Wetter das Laufband im Athletikraum.

Eines der Ziele in der VP 1 ist die Technikentwicklung unter Laborbedingungen, das heißt die Entwicklung einer optimalen Schießtechnik ohne Störeinflüsse, wie etwa durch Wind. Mathias nutzt diese Trainingsperiode für die Stabilisierung des Druckpunktes an der Griffschale sowie für die Umsetzung einer stabilen Kopfposition, da er in der Vergangenheit den Kopf während des Ankerns leicht nach oben bewegt hatte. Dadurch war der Kopf nicht immer in der gleichen Position. Beim Training setzt er Videotechnik ein, so dass er über die Delay-Funktion unmittelbar nach dem Schuss die Qualität seiner Bewegungsausführung eigenständig prüfen kann. Am Bundesstützpunkt steht für dieses Training eine Videostation bereit. Stützpunkttrainer Thomas Heinrich arbeitet in Berlin mit den Athleten zusammen. Hinzu kommen regelmäßige Stützpunkttrainings mit dem Bundestrainer Oliver Haidn. Diese Trainings am Bundesstützpunkt in Berlin werden etwa alle drei Wochen ergänzt durch Trainingsmaßnahmen in Antalya, die jeweils eine Woche dauern. Während das Training auf der olympischen 70-Meter-Distanz während der kalten Monate in Berlin aus Holzbaracken heraus erfolgt, kann in Antalya bei angenehmen Temperaturen im Freien trainiert werden.

Leistungsdiagnostik

Im Rahmen der Leistungsdiagnostik werden verschiedene Parameter erfasst. Dazu zählen neben Schießleistungen auch speziell entwickelte Kraft- und Ausdauertests. Zum Saisonbeginn wird beispielsweise auch der Startwert der speziellen Maximalkraft festgestellt (vgl. Abb. 4). Ein Messgerät wird dafür zwischen Mittelteil und Sehne eingehängt, während Mathias im Vollauszug

Bereits im Oktober schoss Mathias erste Leistungskontrollen zum Ende eines Trainingslehrganges in Antalya mit 72 Pfeilen auf 70 Meter.

Trainingsbestleistung im Oktober 2023 auf 70 Meter
36 Pfeile – 344 Ringe
72 Pfeile – 680 Ringe

Der Schwerpunkt des Trainings liegt deutlich auf der olympischen Distanz. Mathias wird während der Hallensaison die Bundesliga für den BSC Sherwood Herne schießen. Hier geht es dann um einen besonderen Spaßfaktor. Das Training auf die 18-Meter-Distanz absolviert er in der Regel einen Tag vor einem Bundesligawettkampf. An den anderen Trainingstagen steht dann wieder die 70 Meter-Distanz auf dem Programm. Damit endet hier der erste Teil aus dem Trainingsprozess von Mathias Kramer.


Ein typischer Trainingstag

Die Trainingsinhalte variieren je nach Wochentag. Beim Schießtraining stehen die vorgegebenen Pfeilzahlen im Fokus. Die Dauer des Schießtrainings kann variieren, je nachdem, in welcher Zeit die vorgegebenen Pfeilzahlen absolviert wurden. Das folgende Beispiel orientiert sich an einem Mittwoch im Oktober 2023. Die angegebenen Zeiten bleiben flexibel.

8:15 Uhr – Frühstück und anschließend Vorbereitung für den Trainingstag
9:00 Uhr – Bogenaufbau in der Bogenhalle
9:10 Uhr – Koordinationstraining
9:20 Uhr – Allgemeines Aufwärmen und Theraband-Programm
9:30 Uhr – Einschießen, wahlweise auf Kurzdistanz oder 70 Meter
10:00 Uhr – Schießtraining mit variablen Inhalten, wie etwa Techniktraining
12:30 Uhr – Mittag
13:00 Uhr – Schießtraining mit variablen Inhalten
17:00 Uhr – Athletiktraining im Kraftraum
18:30 Uhr – Physiotherapie (wenn Therapeut verfügbar)

Das allgemeine Krafttraining findet jeweils montags, mittwochs und freitags statt, das Ausdauertraining jeweils dienstags und donnerstags.


Sportsoldaten bei der Bundeswehr

Neben der Sportfördergruppe bei der Bundespolizei gibt es die Sportsoldaten der Bundeswehr. Die Plätze in diesen Gruppen sind begrenzt. Die Bundestrainer der verschiedenen Sportdisziplinen können Empfehlungen für die Aufnahme aussprechen, wenn für eine Athletin oder einen Athleten eine positive Prognose für internationale Wettkampferfolge bescheinigt werden kann. Aus dem DSB-Bundeskader der Bogensportler sind aktuell Florian Unruh, Maximilian Weckmüller, Clea Reisenweber, Moritz Wieser und Mathias Kramer im Pool der Sportsoldaten. Diese staatlichen Sportförderprogramme ermöglichen es den Athleten, ein intensives Training auf dem Niveau von Profis zu absolvieren. Parallel zum Trainings- und Wettkampfgeschehen durchlaufen die Sportsoldaten ihre Ausbildung bei der Bundeswehr.


Die Fortsetzung folgt in der kommenden Ausgabe des Bogensport Magazins (BSM 1/2024) am 7. Februar 2024.