24.05.2017

Die Atmung ist der Schlüssel zur Entspannung

Die Progressive Muskelentspannung: Viele setzen auf sie. Auch dem Bogenschützen kann sie was bringen. Rick McKinney stellt sie uns im Folgenden vor.

Die meisten von uns haben das schon erlebt: Das Atmen wird schwerer, die Beine beginnen zittrig zu werden, sodass man das Gefühl hat, nicht mehr aufrecht stehen zu können. Man hört nur noch den eigenen Herzschlag hämmern und im Vollauszug beginnt das Visier zu wackeln oder im Rhythmus des Herzschlags zu zittern! So sieht Wettkampfstress aus!

Ob das Spaß macht? Definitiv nicht! Trotzdem ist er einer der Gründe, warum wir überhaupt an Turnieren teilnehmen. Man versucht, sich und den anderen zu beweisen, dass man im Wettstreit besser ist, als die meisten anderen.

Wettkampfstress – wer ihn kontrollieren kann, der kann ihn sogar genießen. Es ist wie ein Adrenalinschub oder das berühmte “Runner’s High“ Wer der beste Sportler ist, wenn es wirklich darauf ankommt? Wie geht man also mit Wettkampfstress um?

Manchen hilft Musik, manchen Hypnose; manche haben keine Ahnung, wie sie es dennoch immer mit Bravour schaffen, mit ihm fertig zu werden. Während der vergangenen Jahre wurde in diesem Bereich viel geforscht, wobei sich ein Bereich deutlich in den Vordergrund schob: Entspannung, insbesondere Muskelentspannung.

Es geht bei dieser Mentaltechnik allerdings nicht nur darum, die Muskeln zu entspannen, sondern sie ständig unter Kontrolle zu haben und so effizient wie nur irgend möglich einzusetzen. Manche Schützen benötigen da einen stärkeren Stimulus als normalerweise üblich ist. Ein Beispiel dafür ist Jay Barrs. Der US-Amerikaner holte sich bei seinem Olympiasieg 1988 „Hardrockmusik zur “Entspannung” an, um auf dem eigenen optimalen Level zu sein“. Andere Schützen entspannen sich bei ruhigerer Musik.

Dr. Daniel Landers, ordentlicher Professor an der Arizona State University, hat einige Artikel zum Thema Wettkampfstress verfasst, insbesondere im Schießsport. Das meiner Meinung nach interessanteste Paper dreht sich darum, wie man sein persönliches Stresslevel findet und wie man es erreicht, um die optimale Leistung abzurufen.

Seit Jahren kursiert in dem Zusammenhang die „Inverted U-Theorie. Im Prinzip besagt sie, dass die Leistung dann am besten ist, wenn der Erregungszustand nicht zu hoch und nicht zu niedrig ist (siehe Schaubild). Nach Dr. Landers Hypothese variiert dieser Erregungszustand bei den einzelnen Schützen. So erklärt sich, dass Jay Barrs einen höheren Erregungszustand für die Topleistung benötigte, während andere Schützen vielleicht eher beruhigende Methoden brauchen, um ihren Stresslevel senken, um gute Leistungen zu erbringen. Diese „fließende Inverted U-Theorie” ist eine besonders gute Erklärung, warum sich Sportler entweder „aufputschen” oder beruhigen müssen, um die optimale Leistungsspitze zu erreichen.

Eine Möglichkeit, sich in den optimalen Erregungszustand zu versetzen, sind Muskelentspannungstechniken. Es dauert etwas, diese Techniken zu erlernen. Um sie letztlich optimal zu nutzen, ist es nötig, sich strikt an die Programme zu halten und dabeizubleiben, bis man sich auf Knopfdruck in den richtigen Entspannungszustand versetzen kann, der für den entsprechenden Leistungsoutput benötigt wird. Anfänglich dauert das 20 bis 30 Minuten. Auf diesem Level bleibt man für gewöhnlich einige Wochen. Oder auch länger. Das ist individuell sehr verschieden. Jetzt heißt es: Nur nicht aufgeben! Die, die nicht durchhalten werden es generell nie zum Erfolg bringen.

Wer lernen will, sich zu entspannen, der muss seinen Körper kennen. Die Spannung im eigenen Körper kann selbstzerstörerisch wirken und zu Erschöpfung. Dies dann auch noch genau dann, wenn man eigentlich Stärke abrufen müsste. Eine der wichtigsten Vorteile beim Erlernen der Muskelentspannung ist, dass dazu führt, dass man sich besser fokussieren und das Unterbewusstsein besser unter Kontrolle halten kann. Und das ist unabdingbar, wenn man gewinnen möchte.

Und für noch etwas ist diese Entspannungstechnik gut. Die eigenen Vorstellungen vor dem inneren Auge werden viel klarer. Das verhilft zu mehr Selbstvertrauen, Konzentration und halt auch auf einem hohen Leistungsgrad wach und fokussiert. Die Atmung ist dann gleichmäßig und kann vielleicht sogar den Pulsschlag etwas herunterfahren. So wirkt man an der Schießlinie wie ein „Gewinner” – wovor die meisten Gegner den größten Respekt haben! Das macht Eindruck, macht den Wettkampf für deine Gegner sicher nicht einfacher

Im Folgenden gibt es jetzt die Anleitung, wie ihr diese Entspannungstechnik lernen könnt.

Suche dir ein ruhiges Plätzchen ohne Ablenkung (also ohne Handy, Tablet-PC, Computer, Fernseher, andere Personen, Haustiere etc.)

 

Begib dich in eine bequeme Position, Anfänger legen sich meist hin. Das kann einschläfernd wirken und eventuell schläfst du wirklich dabei ein. Am Anfang ist das in Ordnung. Irgendwann bist du dann in der Lage, während der Sitzung wach zu bleiben. Etwas später, vielleicht nach einer Woche, kannst du dich auf einen Stuhl setzen und die Prozedur wiederholen. Nach einer weiteren Woche, diesmal in der sitzenden Position, kannst du im Stehen üben. Schließlich solltest du in der Lage sein, die Technik an der Schießlinie durchzuführen, während du dich auf den Schuss vorbereites

 

Hier wäre es hilfreich, wenn du jemand zur Unterstützung hast, damit du dich auf die entsprechenden Muskelgruppen konzentrieren kannst. Das geht natürlich auch mit einer Kassette oder einer CD. Prinzipiell arbeitest du dich durch alle großen Muskelgruppen durch; eine nach der anderen, beginnend bei der Nackenmuskulatur. Spanne die Muskeln an und halte die Spannung für drei bis fünf Sekunden. Nimm nun die Muskelspannung und wie sie sich genau anfühlt ganz bewusst wahr. Entspanne die Muskelgruppe (Nacken) wieder. Baue die Spannung komplett ab und fühle bewusst, wie sich der entspannte Nacken jetzt anfühlt. Beachte den Unterschied zwischen den zwei Zuständen Anspannung und Entspannung. Aber nicht übertreiben mit der Anspannung, sonst stehen am Ende statt Entspannung möglicherweise Krämpfe und Schmerzen. Wiederhole diesen Prozess mehrere Male.

 

Mache mit der Schultermuskulatur weiter. Spanne sie an und ziehe die Schultern hoch in Richtung der Ohren. Halte die Spannung für etwas drei bis fünf Sekunden. Entspanne dich wieder und fühle auch jetzt wieder ganz bewusst den Unterschied. Wiederhole die Anspannung und machen dann weiter mit der Armmuskulatur, Handgelenk und Handmuskeln: anspannen, halten und wieder entspannen. Weiter geht es mit den Brustmuskeln, Rückenmuskulatur und Bauchmuskeln.

 

Nun spanne die Gesäßmuskulatur an, halte die Spannung für drei bis fünf Sekunden und entspanne wieder. Wenn Du die Entspannung bewusst wahrgenommen hast, dann wiederhole den Vorgang. Arbeite weiter mit den Oberschenkeln, Beinmuskulatur und den Füßen.

 

Wenn Du diesen Rhythmus von Anspannung, Halten und Entspannung mit allen großen Muskelgruppen durchgeführt hast, solltest du in deinen Körper hineinhorchen. Spüre genau nach, er sich anfühlt. Ist wirklich jede Muskelgruppe jetzt auch ganz entspannt ist. Wenn sich ein Bereich noch etwas verkrampft anfühlt, dann wiederhole die Übungen bei den betreffenden Muskelgruppen noch einmal.

 

Wenn Du dann körperlich ganz entspannt bist, konzentrierst du dich nur noch auf die Atmung. Einatmen, ausatmen, einatmen… Ganz einfach, unverkrampft und langsam. Jetzt solltest du spüren, wie beim Ausatmen alle Anspannung zusammen mit der Luft aus dem Körper fließt. Während u diesen entspannten Zustand bewusst wahrnimmst, solltest du ein Wort nutzen, das dieses Gefühl unterstützt. Meines war „re…lax…”, also “ent…spannt…” Beim Einatmen dachte ich “re…”, beim Ausatmen “…lax”. Das war mein „Mantra“ während meiner härtesten Wettkämpfe.

 

Es ist kein Problem, wenn du in der Anfangsphase des Übens einschläfst. Anfangs ist es sogar wahrscheinlich, dass so etwas passiert, aber dann lernt man recht rasch, den Entspannungszustand zu kontrollieren und arbeitet sich durch den ganzen Vorgang durch, ohne sich dabei zu schlapp zu fühlen. Nach dem Üben der Technik im Liegen (für vielleicht eine Woche), kann man in der nächsten Woche zu einer sitzenden Position übergehen. Die Prozedur bleibt gleich. Letztlich wird der ganze Prozess auch schneller von statten gehen. Nach der zweiten Woche in der sitzenden Position, sollte man in der dritten Woche aufstehen und das Ganze im Stehen durchführen können.

Sobald man die Technik im Stehen mit allen Muskelgruppen nacheinander vollziehen kann, kann man versuchen, Muskelgruppen zu kombinieren (Nacken, Schultern, Brust und Arme). Genauso macht man es mit der Rumpfmuskulatur, Gesäß, Beinen und Füßen. Sobald man auch das geschafft hat, kombiniert man alle Muskelgruppen: Man spannt den ganzen Körper gleichzeitig an, hält diese Spannung einige Sekunden und entspannt dann. So sollte weiter trainiert werden. Ziel ist es, diese Technik während des Schießtrainings durchführen zu können, sobald man für die ganze Prozedur nur einige wenige Sekunden benötigt. Schlussendlich sollte man es schaffen, die Muskelgruppen nicht bewusst anspannen zu müssen, sondern nur die Entspannung beim Ausatmen zu fühlen.

Die Atmung ist der Schlüssel zur Entspannung. Irgendwann ist man in der Lage, beim Einatmen die normale Spannung herzustellen und beim Ausatmen die Muskelentspannung zu provozieren. Sobald man an diesem Punkt angekommen ist, muss man vor dem Auszug nur einmal tief atmen, um dann beim Ausatmen komplett zu entspannen, um dann mit der Schussabfolge beginnen.

Man sollte beachten, dass es mindestens ein Monat dauert – eher sogar mehr – bis diese Entspannungstechnik schnell und quasi automatisiert abläuft. Diese Art zu Atmen muss trainiert werden, ebenso wie die Muskel an- und -entspannung. Irgendwann wird man dann selbst wie die Menschen aussehen, die sich anscheinend immer unter völliger Kontrolle haben.

 

Infos:

Diese Entspannungstechniken werden inzwischen sehr häufig in Kursen angeboten. Zum Beispiel in den Volkshochschulen; wo sie zudem recht preisgünstig sind. Sehr hilfreich ist auch ein Beitrag der Apothekenrundschau, zu dem auch ein Video ins Netz gestellt wurde. Ihr findet es unter http://www.apotheken-umschau.de. Dann das Stichwort Entspannung eingeben.