Bogen-WM: „Wir werden das Ding machen!“
Bogensport Magazin
Lisa Unruh und Florian Kahllund bilden das Traum-Duo im deutschen Bogensport. Zum einen sind sie seit Jahren die größten Konstanten mit dem Recurve-Bogen und konnten große Erfolge wie u.a. Olympia-Silber (Unruh 2016) oder EM-Gold (Kahllund 2014) feiern, zum anderen sind sie auch privat ein Paar. Wie sie über die WM in Herzogenbusch denken und wie ihr großes Ziel lautet, sagen sie im Interview.
Die WM ist nicht mehr weit weg. Was überwiegt? Die Vorfreude oder der Druck?
Unruh: „Druck ist sehr hinderlich bei so einer WM. Deshalb überwiegt klar die Vorfreude, denn wir haben jetzt so lange auf diese Woche hingearbeitet, dass es endlich Zeit wird, dass dieses Ereignis stattfindet.“
Die WM ist der wichtigste Wettkampf auch im Hinblick auf Tokio 2020. Wie geht ihr damit um? Was für Methoden/Strategien habt ihr, um den Druck in Leistung umzusetzen?
Kahllund: Das wichtigste ist, sich auf sich selbst zu konzentrieren. Mit dem Fokus auf die Technik gerichtet, werden wir durch diese Woche gehen und uns gegenseitig unterstützen. Wir haben auch ein großes Betreuerteam vor Ort, sodass wir uns auch noch im Vorfeld und währendessen gut austauschen können.“
Lisa, du bist zuletzt in den Qualifikationen in Bukarest und Antalya in den Qualifikationen hinter deinem Leistungsvermögen geblieben. Warum war das so? Macht es dich nervös? Oder gehört diese Phase des Ausprobierens und mit hohen Umfängen einfach dazu?
Unruh: „Es macht mich sehr traurig, dass ich bisher nur im Training zeigen konnte, was in mir steckt. In Medellin zeigte sich ein Problem sehr deutlich, was auch schon vorher bestand, aber nur noch nicht in dieser Stärke. Das haben wir umgehend behoben, und ich musste meine Technik ein wenig umstellen. Das hat ein wenig Zeit in Anspruch genommen. Nun bin ich aber auf einem sehr guten Weg, und in Antalya hat es sich beispielsweise im Teamschießen auch schon gezeigt. Des Weiteren ist die Trainingsplanung klar auf die WM ausgerichtet. Ich werde alles geben, um unseren Traum von drei bzw. sechs Quotenplätzen zu erfüllen.“
Florian, du hattest extremen Druck aufgrund der internen Qualifikation und musstest um deinen WM-Platz kämpfen. Hat das „Körner“ gekostet oder zieht man daraus Stärke für die WM?
Kahllund: „Aufgrund des Qualifikationsmodus´ war mir schon vorher klar, dass es ungünstig für mich ausgehen könnte. Bei der ersten Qualifikationsetappe habe ich noch ganz gut geschossen, hatte danach während der zweiten Etappe aber ein paar schießtechnische Probleme. Ich bin froh, dass der Bundestrainer mir das Vertrauen geschenkt hat und mich trotzdem nominiert hat. Mittlerweile habe ich die Probleme wieder in den Griff bekommen und bin bereit für die WM.“
Ein Platz unter den besten Acht und somit drei Quotenplätze für Tokio 2020 ist das erklärte Ziel sowohl des Frauen- als auch Männer-Teams. Wie zuversichtlich seid ihr?
Unruh: „Wir haben in den letzten Wochen und Monaten sehr viel zusammen trainiert und Wettkämpfe geschossen. In der Zeit hat sich unsere Leistung gesteigert, was wir auch in Antalya zeigen konnten. Ich vertraue meinen Mädels voll und ganz, und wir werden das Ding machen.“
Das gleiche Ziel gab es auch vor Rio 2016. Damals ist das Unterfangen sehr knapp gescheitert. Vier Jahre später klappt es, weil?
Unruh: „Weil wir konsequent an der Beseitigung unserer Probleme von damals gearbeitet haben.“
War die Vorbereitung intensiver als in den Vorjahren? Nennt mal Zahlen?
Kahllund: „Wir haben unsere Pfeilzahlen sehr hochgefahren im Vergleich zu den Vorjahren. Seit November letzten Jahres haben wir bis jetzt, im Zeitraum vor der WM, jeder 35.000 Pfeile geschossen. Wir trainieren ca. 40 Stunden die Woche mit einem freien Tag, obwohl wir da meistens noch eine Ausdauereinheit mit einbauen. 3x Krafttraining, 2x Ausdauer, tägliche Meditation und auch ab und zu Yoga in der Woche runden das Schießtraining ab. Seit Ende Oktober bis zur WM waren wir 111 Tage auf Lehrgängen und Wettkämpfen unterwegs, und diese fanden meistens im Ausland statt. Da wir leider keine 70m Halle in Deutschland haben, müssen wir im Winter in wärmere Gebiete bzw. in 70m Hallen im Ausland ausweichen.“
Was passiert in den letzten Tagen vor der WM? Woran wird noch gearbeitet, was wird gemacht?
Unruh: „Das Trainingspensum wird ein wenig heruntergefahren, damit wir ausgeruht in die WM starten können. Es wird nichts Besonderes mehr gemacht, einfach das, was wir immer machen weiter intensiviert.“
Der Teamgedanke scheint sehr ausgeprägt im DSB-Kader. Wie macht sich der bemerkbar, und ist er ein Vorteil gegenüber anderen Nationen?
Unruh: „Unser Team ist sehr harmonisch. Wir verstehen uns super und unterstützen uns gegenseitig. Sicherlich ist Harmonie immer von Vorteil, aber ob das ein Vorteil für die WM sein wird, wird sich dann am Ende zeigen.“
Bei der WM vor zwei Jahren habt ihr im Mixed die Silbermedaille gewonnen. Welche Bedeutung hatte der große Erfolg und ist er wiederholbar?
Kahllund: „Jeder Erfolg ist theoretisch wiederholbar, auch wenn es im Mixed-Team besonders schwer ist, da fast alle Teams auf einem sehr hohen Niveau schießen. Wir werden unser Bestes geben und versuchen, an unseren Erfolg in Mexico City anzuknüpfen.“
Wenn man euch vor die Wahl stellen würde: Einzelmedaille oder Platz acht mit dem Team – wofür würdet ihr euch entscheiden?
Unruh: „Wir beide würden uns klar für das Team entscheiden, denn gemeinsamer Erfolg macht unheimlich Spaß. Aber es ist ja nicht ausgeschlossen, auch beides zu erreichen.“
Das deutsche Team in Herzogenbusch
Recurve: Michelle Kroppen, Elena Richter, Lisas Unruh, Florian Kahllund, Cedric Rieger, Maximilian Weckmüller
Betreuer: Oliver Haidn, Natalia Butuzova, Marc Dellenbach, Susanne Hentsch, Gregor Kuhn
Compound: Kristina Heigenhauser, Janine Meißner, Velia Schall, Sebastian Hamdorf, Marcus Laube, Marcel Trachsel
Betreuer: Holger Hertkorn, Harry Vohs
Text: DSB/Thilo von Hagen
Foto: Eckhard Frerichs