Bei der Bogen-WM in Berlin (31. Juli bis 6. August) geht es in erster Linie um die WM-Kronen und -Medaillen. Aber es werden auch 24 der insgesamt 128 (je 64 bei Frauen und Männern) Quotenplätze für die Olympischen Spiele 2024 in Paris vergeben – natürlich auch ein großes Ziel der DSB-Athleten.
Zum Beitrag «Bogen-WM Berlin: Über Berlin nach Paris»
(Quelle: www.dsb.de / Bild: Eckhard Frerichs)
Im Gespräch mit Sabrina Steffens
Von Günter Kuhr
Leseprobe aus dem BOGENSPORT MAGAZIN 2/2023
Als Sabrina Steffens im Jahre 2003 ihre Kampfrichterausbildung antrat, hatte sie zuvor Widerstände überwunden, um überhaupt die Zulassung für die Ausbildung zu erhalten. Sie war mit 20 Jahren noch sehr jung und zudem in Deutschland die erste Frau, die sich das Ziel gesetzt hatte, in dem von Männern dominierten Kampfrichterwesen Fuß zu fassen. Wie gut, dass Sabrina Steffens schließlich Rückendeckung von Klaus Lindau und Wolfgang Böker bekam, die ihr den Weg in die Kampfrichterausbildung schließlich ermöglichten. Heute ist die 43-jährige freiberufliche Übersetzerin Mitglied im Kampfrichterkomitee der World Archery, Vorstandsmitglied im Europäischen Bogensportverband WAE, Bundesreferentin der Kampfrichter Bogen beim Deutschen Schützenbund, Mitglied im Bildungsausschuss, Mitglied der Technischen Kommission und Landesbogenreferentin im Hessischen Schützenverband. Im Gespräch mit dem Bogensport Magazin skizziert Sabrina Steffens den Wandel im Kampfrichterwesen, spricht über die Ausbildung, über Regeln und Regelverstöße im Bogensport und über ihre persönliche Faszination, ehrenamtlich als Kampfrichterin zu arbeiten und Teil einer großen Bogensportfamilie zu sein.
BSM: Seit wann bist du beim Bogensport?
Sabrina Steffens: Im Grunde genommen bin ich seit meiner Geburt dabei. Mein Bruder und mein Vater fingen mit dem Bogenschießen an, als ich gerade geboren war, und sie schossen in unserem Garten auf meine Windelkartons. Meine Kindheit verbrachte ich quasi auf dem Bogensportplatz. Meine ersten Pfeile schoss ich damals mit zehn Jahren.
BSM: Haben wir aktuell genügend Kampfrichterinnen und Kampfrichter im Bogensport, oder wünschst du dir einen Zuwachs – speziell in Deutschland?
Sabrina Steffens: Wir konnten im Oktober eine Ausbildung mit 16 neuen A-Kampfrichtern abschließen. Damit haben wir aktuell 101 Kampfrichter im DSB mit einer A-Lizenz. Diese Gruppe ist auf den ersten Blick recht groß. Berücksichtigt werden muss aber, dass in den letzten Jahren der Bedarf durch einen Zuwachs von Wettkämpfen größer wurde. Beispielhaft sind hier die Finals und die Ruhr Games zu erwähnen. Zu bedenken ist auch, dass einige Kampfrichter die A-Lizenz abgeschlossen haben, um bei einer Landesmeisterschaft oder einem rekordberechtigten Turnier in ihrer Region eingesetzt werden zu können, jedoch keine Wettkämpfe auf Bundesebene mit längeren Fahrtzeiten betreuen möchten. Das ist im Ehrenamt völlig legitim, doch letztlich entstehen trotz der recht hohen Zahl der Kampfrichter mit einer A-Lizenz immer wieder Engpässe bei Wettkämpfen auf Bundesebene. Insbesondere bei den Liga-Wettbewerben fehlen uns immer wieder Kampfrichter aus der unmittelbaren Umgebung der Wettkampforte. Das hat eine Bedeutung für die ausrichtenden Vereine, denn sie tragen bei den Liga-Wettkämpfen die Reisekosten der Kampfrichter. Ein Zuwachs der Kampfrichter ist daher wünschenswert und könnte insbesondere auch regionale Engpässe besser ausgleichen.
BSM: Was sind die Voraussetzungen, und welchen Weg geht ein Interessierter, der sich für die Funktion des Kampfrichters interessiert?
Sabrina Steffens: Die Kampfrichterausbildung beginnt mit der B-Lizenz im jeweiligen Landesverband. Die Ausbildung orientiert sich am Qualifizierungsplan des DSB. Das Einstiegsalter für die Ausbildung liegt bei 18 Jahren. Interessenten müssen mindestens zwei Jahre aktiv Bogen geschossen haben. Der Einstieg in die Ausbildung beginnt mit einer schriftlichen Zulassungsprüfung, die insgesamt 20 Fragen umfasst. Die Fragen beantworten die Bewerber zu Hause, und sie können dabei Fachliteratur nutzen. Hier wird ein allgemeines Verständnis zum Umgang mit dem Regelwerk abgefragt. Die Landesverbände organisieren die Kampfrichterausbildung selbständig. Die Ausbildung für die B-Lizenz besteht aus drei Modulen. Das Modul 1 ist ein Pflichtmodul und umfasst in Hessen drei Ausbildungstage an einem Wochenende. Nach dem Abschluss kann der Kampfrichter bereits bei Wettkämpfen im Freien und in der Halle eingesetzt werden. Nach dem Modul 2 können die Kampfrichter dann auch bei Feld- und 3D-Wettkämpfen eingesetzt werden. Das Modul 3 betrifft die Liga-Wettkämpfe, und der Abschluss ist für den Einsatz der Kampfrichter in diesem Wettkampfbereich erforderlich. Auch die Module 2 und 3 umfassen in Hessen jeweils drei Ausbildungstage an einem Wochenende. Hinzu kommen dann Hospitationen bei einer Landesmeisterschaft. Zum Abschluss der Kampfrichterausbildung folgt eine schriftliche Prüfung mit rund 50 Fragen zu den verschiedenen Themengebieten. Sind die Hospitation und die schriftliche Prüfung gut gelaufen, erhalten die Teilnehmer die B-Lizenz und können auf Landesebene eingesetzt werden.
BSM: Wer trägt die Kosten der Ausbildung?
Sabrina Steffens: Das regelt jeweils der Landesverband. In Hessen übernimmt der Landesverband die Verpflegungs- und Übernachtungskosten. Die späteren Kampfrichter übernehmen die Kosten für die Anschaffung ihrer Kampfrichterausrüstung (u. a. Lupe und Blankbogenring) selbst. Für die Kampfrichterbekleidung gibt es hier einen Zuschuss. Im konkreten Einzelfall sollte der Bewerber die Kostenfrage beim jeweiligen Landesverband klären.
BSM: Welchen Weg geht ein Kampfrichter, der auch international eingesetzt werden möchte?
Sabrina Steffens: Voraussetzung ist zunächst, dass der Kampfrichter seit mindestens zwei Jahren mit einer A-Lizenz auf DSB-Meisterschaften eingesetzt war. Eine weitere Voraussetzung sind gute Kenntnisse in der englischen Sprache, denn die gesamte Ausbildung einschließlich der Prüfungsfragen wird in Englisch abgehalten. Zudem muss der Bewerber eine Empfehlung des DSB erhalten haben, nachdem er sich auf Bundesebene bewährt hat. Dann darf er zunächst die Ausbildung zum kontinentalen Kampfrichter absolvieren und wird unter anderem auf Europameisterschaften und Grand Prix eingesetzt. Nach weiteren zwei Jahren darf er mit der Empfehlung des DSB und der WAE (dem europäischen Bogensportverband) an der Ausbildung zum internationalen Kampfrichter der WA teilnehmen. Daneben gibt es speziell die Kategorie der Jugendkampfrichter der WA (Youth Judges). Für diese Ausbildung muss man lediglich Kampfrichter A sein, darf nicht älter als 30 Jahre sein und muss über gute Englischkenntnisse verfügen.

BSM: Was war für dich persönlich die Motivation, die Kampfrichterausbildung zu absolvieren?
Sabrina Steffens: Ich hatte schon immer den Traum, an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Und da ich wusste, dass ich das als Schützin niemals schaffen werde, entschied ich mich, Kampfrichterin zu werden, weil ich hier eine realistische Chance sah (lacht). Darin lag meine Motivation, diesen Weg zu gehen. 2016 ging mein Traum in Erfüllung, als ich in Rio de Janeiro als Kampfrichterin bei den Olympischen Spielen eingesetzt wurde. Für mich war das ein großes Erlebnis, denn die Olympischen Spiele sind einfach etwas Außergewöhnliches, und sie unterscheiden sich von anderen Wettkämpfen, bei denen ich bisher eingesetzt war.
BSM: Gibt es grundsätzliche Veränderungen im Kampfrichterwesen in den letzten Jahrzehnten?
Sabrina Steffens: Früher sah man die Kampfrichter als die Herren des Wettkampfes an, die Rotröcke, die als Autoritäten auftraten. Als zehnjähriges Mädchen empfand ich dieses Auftreten schon ein wenig militärisch, und ich fühlte mich nicht immer wohl, wenn ich in den Augen der Kampfrichter etwas falsch gemacht hatte. Diese Erfahrung war für mich übrigens auch ein Grund, Kampfrichterin zu werden. Ich wollte als Kampfrichterin den Kindern den Spaß am Wettkampf erhalten. Gottseidank gab es hier in den letzten Jahrzehnten einen Wandel. Inzwischen sind die Kampfrichter zu einem echten Teil dieser Bogensportfamilie geworden. Heute zählt es zur Philosophie des Kampfrichterwesens, unterstützend zu arbeiten und dabei das Regelwerk im Blick zu behalten. Die internationalen Kampfrichter prüfen nicht etwa, ob sie bei einem Regelverstoß dem Schützen einen Ring abziehen können, sondern ob der Kampfrichter die Ringe bewahren kann, wenn der Regelverstoß das zulässt. Die Zusammenarbeit mit den Athleten ist heute wesentlich freundschaftlicher geworden. Das ist eine sehr positive Entwicklung.

BSM: Du bist in Deutschland recht jung und zudem noch als Frau in das Kampfrichterwesen eingestiegen, das damals von Männern dominiert war. Wie war dieser Einstieg für dich?
Sabrina Steffens: Als ich im Jahre 2003 anfing, war ich 20 Jahre alt, und es war sehr ungewöhnlich, dass eine so junge Frau Kampfrichterin werden wollte. Ich musste tatsächlich gegen viele Widerstände ankämpfen, um überhaupt in die Ausbildung zu kommen. Unterstützung erhielt ich von dem damaligen Bundesbogenreferenten Klaus Lindau sowie von dem nationalen und internationalen Kampfrichter Wolfgang Böker. Ohne diese Unterstützung hätte ich damals tatsächlich keine Zulassung für die Kampfrichterausbildung bekommen. Unter den damaligen Kampfrichtern gab es wenig Zustimmung für mich. Ich bin dennoch diesen Weg gegangen, und das fiel in eine Zeit, in der auch beim Weltverband ein Umdenken im Bereich des Kampfrichterwesens Einzug hielt. Das Kampfrichterwesen sollte damals durch jüngere Kampfrichter ergänzt werden. 2009 richtete der Weltverband eine neue Kategorie von Kampfrichtern ein, die Jugendkampfrichter, die speziell für die Jugendolympiade in Singapur ausgebildet wurden. Diese Entwicklung fiel direkt in die Zeit meiner Anfangsjahre als Kampfrichterin. Ich rutschte dort hinein und bin froh, dass es diese Entwicklung gab. Heute werden also auch jüngere Kampfrichter akzeptiert. Ich selbst bin eine große Verfechterin dafür, dass gerade jüngere Kampfrichter aufgenommen und gefördert werden. Daher appelliere ich an die jüngeren Bogenschützen, dass sie diesen Weg gehen, und kann ihnen sagen, dass sie hier sehr gerne aufgenommen werden. Diesen Appell richte ich auch und insbesondere an die Frauen. Ich war 2009 die erste deutsche Frau, die internationale Kampfrichterin im Bogensport wurde, und auch heute sind die Frauen noch deutlich in der Unterzahl. Von den 101 Kampfrichtern mit einer A-Lizenz in Deutschland sind lediglich 30 Frauen eingesetzt. Dieses Verhältnis darf sich in der Zukunft noch besser anpassen.
BSM: Was macht dir besonders Spaß an der Tätigkeit als Kampfrichterin?
Sabrina Steffens: Mir macht es wirklich Spaß, Teil dieser großartigen Bogensportfamilien zu sein. Ich bin national und international mit den Athleten im Kontakt und Teil einer weltweiten Kampfrichtergemeinschaft. Wir kennen uns untereinander, und diese Verbundenheit ist einfach großartig.
BSM: Wie häufig erfolgt ein Einsatz als internationaler Kampfrichter?
Sabrina Steffens: Internationale Wettkämpfe dauern in der Regel eine ganze Woche, zuzüglich der Zeiten für die An- und Abreise. Die Kampfrichter verpflichten sich, mindestens einmal innerhalb von zwei Jahren international eingesetzt zu werden. Ein Kampfrichter kann sich letztlich für alle internationalen Wettkämpfe eintragen und wird dann je nach Bedarf auch häufiger eingesetzt. Nach meinem Einstieg als internationale Kampfrichterin war ich etwa zwei Mal im Jahr eingesetzt. Nach der Geburt meiner Kinder musste ich meine Einsätze reduzieren und versuche aktuell, einen internationalen Einsatz pro Jahr zu realisieren.
BSM: Gibt es Überlegungen der World Archery, die Kampfrichter künftig als Vollprofis einzusetzen?
Sabrina Steffens: Es ist aktuell nicht vorgesehen, den Kampfrichter als Beruf umzuwandeln. Das wäre auch in der Praxis schwierig umzusetzen, da es im Winterhalbjahr zu wenige internationale Wettkämpfe gibt. Seit einigen Jahren gibt es allerdings Überlegungen, die Einsätze finanziell zu vergüten, so dass die Bereitschaft der Kampfrichter steigt, mehrere Einsätze im Jahr anzunehmen. Ob diese Überlegungen aktuell vorangetrieben werden, kann ich nicht sagen.
BSM: Gibt es typische Situationen, die im Wettkampf zu einer Intervention durch die Kampfrichterinnen und Kampfrichter führen, und gibt es Tipps für Sportlerinnen und Sportler, diese Situationen zu vermeiden?
Sabrina Steffens: Typische Situationen haben wir bei der Ausrüstungskontrolle, denn hier werden immer wieder nicht regelkonforme Ausrüstungsmerkmale festgestellt. Ein langjähriges Themenfeld ist die nicht regelkonforme Bekleidung bei einigen Wettkampfteilnehmern. Hier lohnt es sich, das Regelwerk in Bezug auf die zulässigen Ausrüstungsgegenstände und die Bekleidung zu lesen. In unklaren Fällen kann es sich lohnen, einen Kampfrichter im Vorfeld zu fragen. Ich bekomme beispielsweise immer wieder E-Mails mit Fragen zugeschickt, die ich dann beantworte. In einigen Fällen werden mir auch Fotos von Ausrüstungsgegenständen zugeschickt, die ich dann ansehe und eine Auskunft erteile. Natürlich ist es besser, eine Frage schon im Vorfeld des Wettkampfes zu klären, weil der Schütze dann im Training einen Ausrüstungsgegenstand korrigieren oder ersetzen kann. Im Hinblick auf die Regeln ist mir im vergangenen Sommer aufgefallen, dass einige Schützen den Ablauf der Finalwettkämpfe nicht genau kennen. Hier lohnt es sich, die schon vor dem Wettkampf die Ausschreibungen mit dem Finalmodus zu lesen. In der Sportordnung des DSB sind beispielsweise die Regeln für die neu eingeführten Teamfinals noch nicht beschrieben, und deshalb ist ein Blick in die internationalen Regeln sinnvoll. Dazu gibt es eine deutsche Übersetzung, hier werden die Regeln für das Teamfinale beschrieben. Zu den typischen Situationen, die wir als Kampfrichter im Wettkampf erleben, zählt auch, dass den Schützen die Bedeutung der gelben und roten Karte nicht bekannt ist. Muss der Kampfrichter die Regel erst erklären, läuft dem Schützen die Zeit davon, und er kann im schlimmsten Fall seinen letzten Pfeil nicht mehr schießen, weil einfach die Zeit abgelaufen ist. Viele Bogenschützen kennen die Bedeutung der gelben und roten Karte aus dem Fußball, doch im Bogenschießen haben die Karten eine andere Bedeutung.
BSM: Könntest du einmal die Bedeutung der gelben und roten Karte erläutern?
Sabrina Steffens: Mit der roten Karte signalisiert der Kampfrichter, dass ein Pfeil außerhalb der verfügbaren Zeit geschossen wurde. Als Konsequenz wird der Pfeil mit der höchsten Wertung in dieser Passe abgezogen. Im Bogensport ist die rote Karte also kein Platzverweis. Die gelbe Karte gibt es nur im Teamwettbewerb. Der Kampfrichter signalisiert damit einen Fehler des Schützen, wie etwa einen Wechselfehler, bei dem der Schütze zu früh an die Schließlinie herangetreten ist oder den Pfeil zu früh aus dem Köcher genommen hat. Die Konsequenz der gelben Karte ist eine Zeitstrafe, und der Schütze muss noch einmal hinter die Ein-Meter-Line zurücktreten und gegebenenfalls den Pfeil zurück in den Köcher stecken. Erst danach darf er zurück auf die Schießlinie gehen.
BSM: Könntest du etwas zu den Regeln über die Kommunikation zwischen dem Schützen und dem Coach sagen?
Sabrina Steffens: Steht der Schütze auf der Schießlinie, darf der Coach den Schützen ansprechen und Hinweise geben, der Schütze darf jedoch nicht mit dem Coach sprechen. Diese Regel gilt auf nationalen und internationalen Wettkämpfen. Eine Kommunikation durch Zeichen ist dem Sportler erlaubt. Das sind immer wiederkehrende Fälle, in denen wir selbst von Schützen angesprochen werden, weil störende Gespräche auf der Schießlinie geführt werden. Die meisten Schützen verhalten sich hier aber regelkonform und fair.
BSM: Hattest du während deiner Tätigkeit als Kampfrichterin eine Situation, in der du einen Sportler vom Wettkampf ausschließen musstest?
Sabrina Steffens: In zwei Fällen erlebte ich Schützen, die sich bei der Bogenkontrolle uneinsichtig zeigten, sich laut und respektlos verhielten, so dass ich die Schützen jeweils des Wettkampffeldes verwies. Ein weiterer Fall betraf einen Elternteil eines Schülers, der die Kampfrichter verbal attackierte und infolgedessen vom Wettkampffeld verwiesen wurde.
BSM: Gibt es neben der Sportordnung eine weitere Quelle für Informationen rund um das Regelwerk im Bogensport?
Sabrina Steffens: Die Sportordnung ist weiterhin die wichtigste Informationsquelle. Die gibt es seit August 2022 auch als ein kleines, praktisches Büchlein. Darüber hinaus gibt es das Kampfrichter-Handbuch, das natürlich auch für Schützen interessant ist. Darin enthalten sind weitere Informationen zur Interpretation von Regeln und zum Ablauf von Wettkämpfen. Bei dem Kampfrichter-Handbuch handelt es sich um eine Ergänzung zum Regelwerk des Weltverbandes World Archery, und es steht jedem Interessierten in der Kampfrichterwelt der DSB-Website als PDF-Download zur Verfügung. In der Rubrik Kampfrichterwelt gibt es auch aktuelle Newsletter mit Informationen zu Regeländerungen und Interpretationen, zu praxisrelevanten Besonderheiten von den Wettkämpfen und den Interpretationen im Sinne des Regelwerkes. Diese Newsletter sind dort archiviert und können von jedem Interessierten eingesehen werden.
BSM: Du bist Mitglied in der Technischen Kommission im DSB. Könntest du die Aufgaben der Kommission skizzieren?
Sabrina Steffens: Eine der Aufgaben der Technischen Kommission Bogen im DSB ist es, die Regeln des Weltverbandes auf das nationale Regelwerk zu übertragen. Wenn also die World Archery neue Regeln oder Interpretationen herausgibt, prüfen wir die Umsetzung für das nationale Regelwerk. Weiterhin beantworten wir Fragen von den Landesverbänden oder auch von Schützen zu Ausrüstungsgegenständen im Hinblick auf die Konformität mit dem Regelwerk, und wir sind für den Teil 6 der Sportordnung zuständig.
BSM: Welche Highlights warten 2023 auf dich als Kampfrichterin?
Sabrina Steffens: Die Weltmeisterschaft 2023 in Berlin, bei der ich als Kampfrichterin eingesetzt bin. Im nationalen Bogensport werde ich das Bundesligafinale, die Finals und die Deutsche Meisterschaft in Wiesbaden als Kampfrichterin betreuen.
BSM: Findest du Zeit, selbst deinen Bogen in die Hand zu nehmen für ein Training?
Sabrina Steffens: Das wäre schön. Da ich zwei Kinder mit ganz eigenen Interessen habe, komme ich im Moment nicht selbst zum Schießen. Für den kommenden Sommer habe ich allerdings fest in der Planung, mit meinen Kindern zum Bogensportplatz zu fahren und sie in das Bogenschießen einzuführen. Vielleicht kann ich sie dafür begeistern, und dann habe ich sicher auch mehr Zeit für das Schießen.
BSM: Welche Bogenart schießt du dann vorzugsweise?
Sabrina Steffens: In der Vergangenheit habe ich Erfahrungen mit allen Bogenarten gemacht. Mein Herz schlägt allerdings für den Recurvebogen.
BSM: Danke für das Gespräch. Wir wünschen dir viel Freude und Erfolg bei allen Projekten, in denen du dich so leidenschaftlich engagierst.
Editorial zur Ausgabe 02/2023Liebe Leserinnen, liebe Leser,
als Medienmensch gehört es zwangsläufig auch zu meinen Aufgaben, mich mit dem (durchaus spannenden) Thema Künstlicher Intelligenz auseinanderzusetzen. Gesagt, getan. So habe ich, wie es derzeit gerade Usus ist, versucht, zumindest Teile dieses Editorials mit Hilfe von ChatGPT (einer hierfür konzipierten Software) zu erstellen. Und, um ehrlich zu sein, war ich über das Ergebnis ziemlich überrascht. Eigentlich hatte ich erwartet, dass der Chatbot nur wirres Zeug herausbringt, und dass es allemal besser ist, mit menschlicher Intelligenz zu arbeiten. Doch das Experiment ging längst nicht so eindeutig aus, wie ich es ursprünglich erwartet hatte. Beispiel gefällig?
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Eine meiner Fragen lautete: „Beschreibe die Aufgaben eines Kampfrichters im Bogensport mit 400 Zeichen“. Als Antwort erhielt ich nach wenigen Sekunden die folgenden 406 Zeichen (ohne Leerzeichen): „Ein Kampfrichter im Bogensport überwacht den Wettkampf, um die Einhaltung von Regeln und Sicherheitsvorschriften zu gewährleisten. Er prüft die Ausrüstung der Teilnehmer, bewertet die Schüsse auf der Zielscheibe und überwacht die Wettkampfbedingungen wie Wetter- und Lichtverhältnisse. Der Kampfrichter muss in der Lage sein, Streitigkeiten zu schlichten und fair und verantwortungsbewusst zu handeln, um die Sicherheit und Fairness des Wettbewerbs zu gewährleisten“. An dieser Antwort ist, zumindest faktisch, nun wirklich nichts verkehrt, allerdings ist sie, zumindest nach meinem Empfinden, auch nicht besonders prickelnd zu lesen – was natürlich auch an meiner Fragestellung gelegen haben könnte …
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Wie gut also, dass sich Sabrina Steffens und Günter Kuhr die Zeit genommen haben, ausführlich (und mit der gebotenen Leidenschaft) über die Aufgaben und nötigen Qualifikationen in dieser Disziplin zu sprechen. Unsere Gesprächspartnerin muss es wissen – sie war damals mit 20 Jahren noch sehr jung und zudem die erste Frau in Deutschland, die in dieser nach wie vor von Männern dominierten Domäne Fuß gefasst hat. Und siehe da, dieses rund vier Seiten umfassende Interview liest sich deutlich kurzweiliger, als die Zusammenfassung unseres KI-Feldversuchs. Wie soll es auch anders sein, wenn eine überzeugte und bewährte Expertin mit 23-jähriger Wettkampferfahrung uns in die Philosophie des Kampfrichterwesens einführt…
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Sie sehen also, ich bin, zumindest bei solchen Texten, unvermindert ein Fan der menschgeschriebenen Berichterstattung und hoffe, Ihnen geht es genauso. Um dies zu erhalten braucht es allerdings auch Menschen, die schreiben können und vor allem, die schreiben möchten. Und diese Spezies scheint bedauerlicherweise immer seltener zu werden. Wie so viele Redaktionen haben auch wir das Problem, sach- und fachkundige Autoren zu finden, deren Herz für den Bogensport schlägt und die, je nachdem wie es die Zeit erlaubt, auch bereit sind, in (un-) regelmäßigen Abständen einen redaktionellen Beitrag für unser Magazin zu schreiben. Wenn Sie jetzt gerade in sich gehen und überlegen, ob das etwas für Sie wäre, lassen Sie es uns doch einfach herausfinden. Wir sind vielleicht netter, als Sie denken und obendrein noch bereit, Ihren Beitrag in Form eines Honorars wertzuschätzen. Sie erreichen uns am besten per Mail an redaktion@bogensport.de – wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen!
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Abschließend, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich Ihnen viel Spaß bei der Lektüre unserer neuen Ausgabe und wenn Sie, was hoffentlich nicht passieren wird, den ein oder anderen Fehler entdecken sollten, können Sie getrost daraus schließen: Hier waren echte Menschen am Werk.
Herzlichst,
Ihr BSM-Team
In unserer Rubrik Altausgaben können Sie diese (und andere) Ausgaben online bestellen und sich bequem per Post liefern lassen.
Abschied vom mexikanischen Jugendnationalspieler Carlos VacaCarlos Vaca, Mitglied der mexikanischen Jugendmannschaften seit 2018, ist diese Woche im Alter von 20 Jahren gestorben. Der aus dem Bundesstaat Querétaro stammende Carlos war Jugendolympionike in Buenos Aires 2018, gewann im vergangenen Jahr die ersten Panamerikanischen Jugendmeisterschaften und nahm am vergangenen Wochenende an den offenen Auswahlspielen für die mexikanische A-Nationalmannschaft in Mexiko-Stadt teil.
Zum Beitrag «Abschied vom mexikanischen Jugendnationalspieler Carlos Vaca»
(Quelle Text/Bild: worldarchery.sport)
Ki Bo Bae ist in dieser Saison überraschend in den koreanischen Kader zurückgekehrt, obwohl sie im vergangenen Jahr ihren Rücktritt angekündigt hatte. Das bedeutet jedoch noch nicht, dass die 35-Jährige, die vor allem für ihren Sieg bei den Olympischen Spielen 2012 in London bekannt ist, 2023 auf internationaler Ebene antreten wird.
Zum Beitrag «Ehemalige Olympiasiegerin kehrt 2023 in die koreanische Nationalmannschaft zurück»
(Quelle Text/Bild: worldarchery.sport)
Bogensportler feiern die 10. Auflage der Kings of Archery Series (JVD Open)
Von Anna Lena Gangluff (Fotos: Dean Alberga)
Leseprobe aus dem BOGENSPORT MAGAZIN 1/2023
Nachdem in der Außensaison in diesem Jahr wieder langsam aber sicher die gewohnte Normalität die Turniere bestimmte, kehrte auch nach zwei Jahren Zwangspause das international beliebte Kings of Archery Series – JVD Open Turnier – in den Niederladen zurück. Vom 11. bis zum 13. November 2022 fand das größte Hallenturnier der Niederlande in Eindhoven statt.
Bereits 2020 sollte die zehnte Ausgabe des Hallenturniers stattfinden. Wegen der Pandemie musste das Ganze aber sowohl 2020 als auch 2021 verschoben werden. Umso größer war die Freude, als bekannt wurde, dass das Turnier 2022 wieder ausgerichtet werden kann.
Von Jahr zu Jahr wuchs das Turnier und begeisterte immer mehr Bogensportler. Das Erfolgsrezept? Das Format. An der Schießlinie trifft man sowohl auf internationale Spitzensportler wie Mike Schloesser (NED), Kris Schaff (USA) oder Penny Healey (GBR), die bereits während der Außensaison immer wieder mit starken Leistungen auf sich aufmerksam machten. Genau so kann aber auch der „normale“ Breitensportler einen der begehrten Startplätze für das Turnier ergattern. Wann hat man schon die Chance, bei einem internationalen Preisgeldturnier die Besten der Bogensportszene zu sehen, mit ihnen zu sprechen oder gar mit ihnen auf einer Scheibe zu stehen? Solche Erfahrungen will sich niemand entgehen lassen. Gerade für deutsche Schützen kommt noch hinzu, dass sie den Austragungsort in den Niederladen recht schnell und unkompliziert erreichen können.
Auch in den sozialen Netzwerken wird das Format gefeiert. „Das beste Turnier in Europa“ liest man täglich. Für viele Bogenschützen ist Kings of Archery seit Jahren fester Bestandteil in ihren Terminkalendern. Die meisten von ihnen haben die Entwicklung von einem kleinen freundschaftlichen Turnier bis zu dem großen gefeierten Event, das es heute ist, hautnah miterlebt. Trotz des Wachstums haben es die Veranstalter geschafft, diese gewisse Atmosphäre beizubehalten. Für viele ist es eher ein Wiedersehen mit guten Freunden, und der Leistungsdruck nimmt nicht unbedingt überhand.
SIDEFACT: Wusstet ihr, worüber sich den meisten Teilnehmern den Kopf zerbrechen? Den Walk Up Song. Wer sich bei dem Turnier anmeldet, muss bei der Anmeldung einen Walk Up Song benennen, der gespielt wird, falls der entsprechende Starter in das Finale einzieht. Sander Doldermann ruft aber auch hier scherzend zu mehr Kreativität auf: „Jedes Jahr gibt es so viele Schützen, die „Thunderstruck“ von AC/DC wollen. Überlegt euch mal etwas Ausgefalleneres!“ Wer also nächstes Jahr dabei sein will, sollte dieses Detail nicht unterschätzen und früh genug mit der Suche nach dem Song anfangen.
Umso weniger verwundert es, dass über 900 Startplätze in diesem Jahr innerhalb weniger Stunden ausgebucht waren. Insgesamt meldeten sich Schützen aus 42 Ländern an. Die meisten Anmeldungen kamen aus Deutschland. Doch Kings of Archery bietet neben dem eigentlichen Wettkampf noch viel mehr. So findet über das ganze Wochenende eine Art Messe um das Wettkampffeld statt, bei der über 20 Marken aus dem Bogensport ihre (neusten) Waren präsentieren und verkaufen. Hoyt, Beiter oder Win&Win sind nur einige der Aussteller. Zusätzlich gibt es noch ein kostenloses Seminarprogramm. Interessierte können beispielsweise Seminare von Hoyt besuchen, wo die neuen Bögen vorgestellt werden. Es gibt aber auch Seminare, die sich zum Beispiel mit Mentaltraining befassen. In diesem Jahr wurde auch eine Fragerunde mit Mike und Gaby Schloesser angeboten, bei der man die beiden alles fragen konnte, was man schon immer mal so wissen wollte.
Von 25 zu fast 1000 Startern mit zehn Ausgaben – eine Erfolgsgeschichte
Weil im vorigen Jahr die zehnte Ausgabe des Formats zelebriert wurde, machen wir noch mal einen kleinen Sprung in die Vergangenheit und schauen uns die Entstehungs- und Erfolgsgeschichte an. Sander Doldermann, einer der Hauptverantwortlichen und Gründer, gewährt Einblicke in seinem Podcast mit Raymon Markus „Nerves of Steel“, benannt nach dem gleichnamigen Nebenevent während des Kings of Archery-Wochenendes. Inspiriert wurde Doldermann damals vom Vegas Shoot, an dem er selbst teilnahm. So lud er im ersten Jahr von Kings of Archery 25 seiner Freunde aus den Niederlanden, Belgien und Deutschland zu seinem Heimatverein ein, um ein kleines Turnier unter Freunden nach den Vegas-Regeln auszutragen. Schon damals wurde viel Wert darauf gelegt, dass jede Wettkampfklasse im Anschluss an die Quali-Runde ein Finale austragen kann. Diese Idee und die damals noch sehr intime Veranstaltung sorgten für Begeisterung in der Bogensportszene, sodass das Turnier im nächsten Jahr wiederholt wurde. Doldermann erinnert sich: „Ich glaube, wir waren drei Jahre bei meinem Heimatverein. Im letzten Jahr nahmen etwa 100 Sportler am Wettkampf teil. Für uns war das ein Wendepunkt: Wie sollten wir weitermachen?“ Man wollte, dass das Turnier wächst. Damit sind aber auch hohe Kosten verbunden: Man muss in Scheiben investieren, ein größerer Austragungsort musste her.
Und diesen fand man. Unter den neuen Umständen konnte das Event nach und nach zu dem werden, was es heute ist. Aus dem kleinen familiären Schießen unter Freunden wurde langsam das, was wir heute unter Kings of Archery verstehen. Es konnten immer mehr Ideen umgesetzt werden, aus „Fehlern“ wurde gelernt, und die Teilnehmerzahlen stiegen mit jedem Jahr. Vor allem wurde das Event aber auch immer internationaler, denn mittlerweile kamen schon Schützen aus Amerika und aus den verschiedensten Ecken in Europa, um den Titel zu holen.
Im Jahr 2017 war dann allerdings auch die neue Location innerhalb von ein bis zwei Stunden vollkommen ausgebucht – erneut musste eine neue Lösung her. „Kosten verfünf- oder versechsfachten sich teilweise, wenn wir es größer aufziehen wollten. Das war beängstigend!“, erinnert Doldermann sich. „Wir waren sogar einmal an dem Punkt, die Marke Kings of Archery zu verkaufen.“ Im Jahr 2018 entschloss sich aber JVD, einer der weltweit führenden Vertriebspartner im Bogensportbereich mit Sitz in den Niederlanden, nach langen Gesprächen dazu, einzusteigen. Die Firma spielte schon länger mit dem Gedanken, ein Turnier zu kreieren, das ihren Namen trägt und das Potenzial dazu hat, eines der größten in Europa zu werden. Von 340 Startern kam man plötzlich an fast 1000 Startplätze, die vergeben werden konnten. Dafür zog man in die neue Location in Eindhoven um, die bis heute noch Austragungsort ist.
2018 fand auch zum ersten Mal die zusätzliche Messe mit Ausstellern rund um das Wettkampffeld statt. „Es war eine Win-Win-Situation für uns und JVD“, erinnert sich Doldermann, „wir möchten, dass die Teilnehmer das Turnier mit mehr Wissen, mit positiven Eindrücken, guten Gesprächen und auch vielleicht mit neuem Material verlassen. Und JVD möchte, dass ihre Kunden und Bogensportler direkten Kontakt mit Herstellern haben können.“ In diesem Zug kamen auch die Seminare für Jedermann dazu. Nach einer erfolgreichen Ausgabe 2018 wurde 2019 alles noch einmal übertrumpft. Dann kam die Pandemie. Und was dann kam, lest ihr hier!
In welchem Modus wird das Turnier eigentlich geschossen?
The Vegas Shoot war eine der Vorlagen für das Turnier. In Eindhoven schießt jeder Teilnehmer 90 Pfeile. 60 Pfeile samstags, 30 Pfeile sonntags, 900 Ringe sind als Maximum erreichbar. Alle Bogenschützen, mit Ausnahme von Blankbogenschützen und jenen, die von World Archery als sehbehindert eingestuft werden, schießen auf die einen Dreier-Spot. Blankbogenschützen haben die Möglichkeit, eine 40 Zentimeter-Auflage mit den Wertungsringen eins bis X zu wählen.
Ins Finale ziehen die besten acht nach der jeweiligen Qualifikation ein – oder alle, die eine 900 geschossen haben.
In diesem Jahr schossen insgesamt 28 Teilnehmer eine perfekte 900, unter ihnen ein Deutscher: Felix Wieser. Für ihn war es die erste Teilnahme an dem Format. „Es klingt einfach, man muss „nur“ das Gold treffen, um eine 900 zu erzielen. Gleichzeitig heißt es aber, du verlierst, wenn du nur eine Acht triffst. Und das bei 90 Pfeilen!“, sagte Wieser. Für manche scheint es einfacher auszusehen, aber dem Druck muss man auf die Distanz eben auch erst mal standhalten.
Für einen Rekord sorgten die beiden Recurveschützinnen Penny Healey (GBR) und Laura van der Winkel (NED). Beide schossen als erste Recurvedamen ebenfalls eine perfekte 900 in der Qualifikationsrunde, das gab es bei Kings of Archery noch nie.
Für alle, die sich nicht über die reguläre Qualifikation für das Finale qualifizieren, gibt es noch eine Jokerrunde, über die man einen Platz gewinnen kann. Das Finale wird wie in Vegas nach dem „last archer standing“-Prinzip geschossen, der Letzte, der noch steht, gewinnt.
Wer es nicht nach Eindhoven schafft, kann die spannenden Finalrunden online live verfolgen oder nachschauen.
Die Wertung während der Qualifikation sieht folgendermaßen aus:
Compound: (gelb) X10-10-9; (rot) 8-7; (blau) 6
Recurve: (gelb) X10-X10-10; (rot) 8-7; (blau) 6
Blankbogen: (gelb) X10-X10-10; (rot) 8-7; (blau) 6
Während der Finalrunde(n) ändert sich die Wertung dann noch einmal:
Compound: 1. und 2. Passe: (gelb) X10-10-9; (rot) 8-7; (blau) 6
Jede weitere Passe: (gelb) 10-9-9; (rot) 8-7; (blau) 6
Recurve: 1. und 2. Passe: (gelb) X10-X10-10; (rot) 8-7; (blau) 6
Jede weitere Passe: (gelb) X10-10-9; (rot) 8-7; (blau) 6
Blankbogen: 1. und 2. Passe: (gelb) X10-X10-10; (rot) 8-7; (blau) 6
Jede weitere Passe: (gelb) X10-10-9; (rot) 8-7; (blau) 6
Wer zeigt Nerven aus Stahl?
„Nerves of Steel ist ein Side Event an dem Wochenende. Wir sind aber nicht wirklich die Erfinder von einem solchen Format. Ich habe diese Art des Schießens bereits vor etwa 15 Jahren in einem Video gesehen“, erläutert Doldermann.
Nerves of Steel ist eigentlich recht simpel erklärt: Man schießt einen Pfeil auf eine Scheibe, die mit einer Stahlplatte bedeckt ist. In der Mitte dieser Platte befindet sich ein Loch, die sogenannte „Safe Zone“. Trifft man diese Zone und damit die weiche Scheibe, ist man eine Runde weiter. Trifft man auf Stahl, verfehlt man die Safe Zone oder geht der Pfeil in irgendeiner Weise kaputt, ist man raus. Begonnen wird mit der größten Safe Zone, die einen Durchmesser von zwölf Zentimetern hat. Nach jeder Runde wird dieser Durchmesser verkleinert, bis das Minimum von zwei Zentimetern erreicht ist. Das Ganze läuft, bis nur noch ein Schütze übrig ist. Um es in den Worten von Doldermann zu sagen: „Go big or go home! Dieses Motto, Nerven aus Stahl zu haben, steht doch auch für so viel mehr, ob es jetzt den Bogensport oder das Leben betrifft. Dass man in aufregenden Zeiten die Nerven hat, das zu zeigen und zu leben, was man trainiert hat.“ In diesem Jahr hieß „the last archer standing“ Christian Gravesen aus Dänemark. „Für mich war das Turnier eine Erfahrung, die über vieles hinausgeht, was ich bisher ausprobiert habe“, erzählt der Compoundschütze. „Ich kam dort an und hatte einen Startplatz für Nerves of Steel. Ich wusste, dass ich es schaffen kann, und mein Ziel war es, zu gewinnen. Aber ich wollte vor allem auch mir selbst beweisen, dass ich mental ruhig bleiben kann, vor allem in dem Wissen, dass mein Pfeil zerstört sein wird, sobald ich das Ziel verfehle.“ Und ruhig blieb er bis zum Schluss. Zuvor scherzte er noch mit einem Freund darüber, dass er extra für Nerves of Steel neue Pfeile gekauft hatte. Ganz nach seinem Motto: „Sie gehen nur kaputt, wenn man nicht trifft, oder?“
Wer Kings of Archery noch nicht auf seiner Liste stehen hat, sollte dies ändern und sich die Chance nicht entgehen lassen. Ob als Teilnehmer oder Zuschauer, dieses Wochenende bietet für jeden was! Der Termin für 2023 steht schon: Vom 10. bis zum 12. November werden die neuen „Kings of Archery“ gesucht und gekrönt. Und auch den diesjährigen Nerves of Steel-Gewinner wird man dann wohl wiedersehen: „Ich werde nächstes Jahr zurückkommen, und ich würde wirklich jedem empfehlen, es auch zu tun und auszuprobieren.“ Wer die Wartezeit überbrücken will, kann bis dahin auf den gängigen Streamingplattformen den Nerves of Steel Podcast anhören. Bisher gibt es zwar nur zwei Folgen, aber auch hier können sich Fans auf weitere Fortsetzungen freuen.
Ergebnisse nach Finale:
Compound Herren
1. Rishabh Yadav (IND)
2. Mike Schloesser (NED)
3. Mathias Fullerton (DEN)
Compound Damen
1. Ella Gibson (GBR)
2. Tanja Gellenthien (DEN)
3. Elisa Roner (ITA)
Compound Senioren
1. Wolfgang Wiener (AUT)
2. Luc Verdeyen (BEL)
3. Jens Asbach (GER)
Recurve Herren
1. Steve Wijler (NED)
2. Sachin Gupta (IND)
3. Federico Musolesi (ITA)
Recurve Damen
1. Gaby Schloesser (NED)
2. Penny Healey (GBR)
3. Audrey Machinet (FRA)
Blankbogen Herren
1. Giuseppe Seimandi (ITA)
2. Timo Durchdewald (GER)
3. Daan Saft (NED)
Blankbogen Damen
1. Carol-Anne Seez (GBR)
2. Tatiana Khrustaleva (ISR)
3. Olivia Elamsson (SWE)
Text: Anna Lena Gangluff
Bilder: Dean Alberga
Im Gespräch mit Sebastian Rohrberg – von Günter Kuhr
Leseprobe aus dem BOGENSPORT MAGAZIN 6/2022
Im Alter von zwölf Jahren begann Sebastian Rohrberg das Bogenschießen. Als er im Jahre 1999 erstmals Deutscher Meister im Feldbogensport wurde, begann eine sportliche Erfolgsgeschichte. Insgesamt neun Mal in Folge holte er bis zum Jahre 2007 das Gold bei den Deutschen Meisterschaften im Feldbogensport. Auf seinen ersten nationalen Titel folgte 1999 sein Debüt im internationalen Bogensport bei einem Feldbogenwettkampf. 2002 wurde er Vizeweltmeister, 2004 Weltmeister, 2006 Vizeweltmeister, und 2008 holte er sich erneut das Gold bei den Weltmeisterschaften im Feldbogensport. 2010 folgte WM-Bronze, und 2016 startete er erneut durch und sicherte sich bei der Feldbogen-Weltmeisterschaft die Silbermedaille.
Bei dieser Erfolgsbilanz treten sein Europameistertitel im Jahre 2003 und die Titel als Vize-Europameister in den Jahren 2005, 2007 und 2009 schon fast in den Hintergrund. 2007 wurde Sebastian Rohrberg Weltmeister in der Halle und sicherte sich 2010 den Titel des Europameisters in der Halle. Bei den World Games 2009 in Taiwan gewann er die Bronzemedaille.
Rohrberg wird nicht müde, und so sicherte er sich 2022 wieder einmal das Gold bei der Deutschen Meisterschaft im Feldbogenschießen. Letztlich ist diese Erfolgsbilanz nicht abschließend, denn internationale Teamerfolge und alle nationalen Titel würden hier den Rahmen sprengen. Als langjähriges Mitglied der Nationalmannschaft blieb ihm die Teilnahme an den Olympischen Spielen allerdings verwehrt. Mit seinen Erfahrungen zählt er seit Jahren zu den Tuningexperten der Nationalmannschaft.
Wir trafen den 43-jährigen Ausnahmeathleten bei einem Coaching im Feldparcours Wildeshausen und sprachen mit ihm über die Disziplinen des Bogensports, über seinen Wunsch nach einer Belebung von Feldbogenturnieren und schließlich auch über seine Ziele als Bogensportler.
BSM: Du warst viele Jahre in der Nationalmannschaft des olympischen Bogensports, hast aber immer auch an den Wettkämpfen des Feldbogensports teilgenommen. In welchen der Disziplinen siehst du die größere Herausforderung?
Rohrberg: Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. Für mich ist die olympische Runde auf 70 Meter tatsächlich eine große Herausforderung, weil man fokussiert bleiben muss auf immer die gleiche Distanz. Das erzeugt eine gewisse Monotonie beim Schießen, weil du hier im Gegensatz zum Feldparcours immer wieder das Gleiche möglichst gleich gut tun musst. Hinzu kommt der Wind auf den Wettkampfplätzen, der die Pfeile rauszieht und taktische Fähigkeiten einfordert. Im Feldparcours kannst du nach einer schlechten Trefferlage die Scheibe abhaken und dich voll auf die nächste Scheibe mit ihren Besonderheiten einstellen. Du kannst einen Schalter umwerfen und an der neuen Scheibe neu durchstarten. Beim Feldbogensport gibt es besondere Anforderungen an deine Fähigkeiten, wie beispielsweise das Schießen mit Winkeln und das Schießen an den Hängen. Hier gibt es Scheiben, die im Gelände deine Pfeile seitlich herausziehen, und diese Geländemerkmale musst du richtig einschätzen können. Hinzu kommt die Fähigkeit, unbekannte Entfernungen bestmöglich einschätzen zu können. Die Hallendistanz hat eine besondere Herausforderung, weil du wirklich überwiegend in die Zehn schießen musst. Alle Disziplinen sind auf ihre Weise herausfordernd.

BSM: Sorgt die Abwechselung im Feldparcours für einen herabgesetzten Stresspegel beim Schießen gegenüber der olympischen Runde?
Rohrberg: Ich kann diese Frage nur aus meiner Wahrnehmung beantworten. Die Vorrunde mit den 72 Pfeilen kann man bei der olympischen Runde – wenn man gut schießt – eigentlich recht locker angehen lassen. Es ist wie ein Training unter Wettkampfbedingungen. Ich sehe die Vorrunde als ein gutes Training für das, was folgt. In den Matchrunden steigt der Stresspegel. Feldbogenschützen sprechen häufig davon, dass im Parcours die Atmosphäre entspannter ist. Ich bin mit dem Feldbogenschießen groß geworden und fand diese Disziplin immer sehr entspannt. Im Feldbogenwettkampf kommt es ein wenig auf die Gruppe an. Du gehst hier mit drei oder vier Bogenschützen den gesamten Wettkampftag durch den Parcours. Wenn das eine sympathische Gruppe ist, wird es ein entspannter Tag. Wenn aber innerhalb der Gruppe eine schlechte Stimmung aufkommt, wird es kompliziert. Bei der olympischen Runde ist das nicht so bedeutend, weil hier genügend andere Schützen auf dem Feld sind, mit denen man die Stimmung positiv halten kann. Hier gibt es auch immer noch den Coach oder den Betreuer für ein Gespräch. Im Feldparcours bist du auf dich allein gestellt und musst deine Lösungen selbst finden. Mir kommt diese Besonderheit aber zugute, weil ich die Situationen mit ihren Herausforderungen beim Schießen gerne selbst löse. Kurz gesagt, jede Disziplin hat ihre entspannten und stressigen Momente.
„Ein guter Recurveschütze, der das Schießen beherrscht, kann relativ schnell auch ein guter Feldbogenschütze werden.“
BSM: Wie kompliziert ist der Einstieg in den Feldbogensport für Bogenschützen, die hier bisher keine Erfahrungen haben?
Sebastian Rohrberg: Ein guter Recurveschütze, der das Schießen beherrscht, kann relativ schnell auch ein guter Feldbogenschütze werden. Das haben die letzten Jahre gezeigt. Im Feldbogenschießen haben selbst Amateure eine echte Chance, sich für einen internationalen Wettkampf zu qualifizieren, wenn die Leistung passt. Der Wechsel vom Feld zur olympischen Runde ist schwieriger, weil hier das Niveau mit den Profisportlern höher ist. Natürlich ist dieser Wechsel möglich, aber der Aufstieg in die Weltklasse ist aufgrund des hohen Niveaus im olympischen Bogensport kaum zu bewältigen. Bei Blankbogenschützen kann der Wechsel vom Feldbogensport zu der 72-Pfeilerunde schon erfolgreicher verlaufen.

BSM: International warst du sehr erfolgreich, doch an den Olympischen Spielen hast du niemals teilgenommen, obwohl du für die Spiele in Peking den nationalen Qualifikationswettbewerb gewonnen hattest. Wo lagen dafür die Ursachen?
Sebastian Rohrberg: Bei der Weltmeisterschaft in Leipzig holte Jens Pieper einen Quotenplatz für die Olympischen Spiele in Peking. Als Mitglied des deutschen Top-Teams hatte ich die Berechtigung, an dem nationalen Qualifikationswettbewerb für die Spiele teilzunehmen. Trotz der acht verfügbaren Startplätze nahmen ausschließlich Jens Piper und ich an dem Qualifikationswettbewerb teil. Mein Ergebnis blieb am ersten Wettkampftag deutlich unter meinen Möglichkeiten, oder, anders gesagt, war mein Schießen unterirdisch schlecht. Dennoch ich erhielt dafür den zuvor festgelegten Punktestand im Sinne des Qualifikationsmodus. Am nächsten Tag folgten 14 Matche zwischen Jens und mir, und für jeden Matchsieg wurden wieder Punkte verteilt. Ich gewann an diesem Tag viele Matche, und es wurde erforderlich, den Sieger des Qualifikationswettbewerbes im Stechen zu ermitteln. Letztlich wurden drei aufeinanderfolgende Stechpfeile notwendig, bis ich den Wettbewerb mit zwei Punkten Vorsprung gewinnen konnte. Der Sieger des nationalen Qualifikationswettbewerbes war im Sinne der Qualifikationskriterien berechtigt, an den Olympischen Spielen in Peking teilzunehmen. Nach dem Sieg im Qualifikationswettbewerb wurde für mich die Teilnahme am World Cup im französischen Boé vorgesehen. Zu diesem Zeitpunkt war mir bewusst, dass ich den Qualifikationswettbewerb mit viel Glück gewonnen hatte, da meine Technikumsetzung wirklich schlecht war. Mein Leistungsniveau passte nicht. Also intervenierte ich und wollte anstelle des World Cups meine Zeit nutzen, um im Training meine Schießtechnik wieder auf das alte Niveau zurückzubringen. Das war aus meiner Sicht als Schütze dringend notwendig als Vorbereitung für die Spiele in Peking. Hier gab es dann aber unterschiedliche Auffassungen zwischen dem damaligen Bundestrainer, dem DSB und mir, und es wurden Lebenssachverhalte einbezogen, die einfach falsch bewertet wurden. Die Kommunikation wurde in dieser Sache zunehmend schwieriger. Der DSB entschied dann, dass meine Teilnahme am World Cup in Boé eine Voraussetzung für meine Teilnahme an den Olympischen Spielen sein sollte. Ich ging damals davon aus, dass der DSB nicht gegen die selbst aufgestellten Qualifikationskriterien verstoßen würde. Als Schütze entschied ich mich, nicht am World Cup teilzunehmen, sondern die Zeit für das Training zu nutzen, weil ich das für bedeutender hielt, um in Peking in Form zu sein. Als später dem deutschen Team ein zweiter Quotenplatz für die Männer zugesprochen wurde, nutzte der DSB dieses Angebot nicht und gab diesen Quotenplatz an Frankreich ab. Ich wurde trotz der beiden verfügbaren Quotenplätze bei der Teilnahme an den Olympischen Spielen nicht berücksichtigt, obwohl ich nach den Qualifikationskriterien den Startplatz sicher hatte.
„Strategie spielt eine Rolle, aber es geht dabei ganz simpel um die Abfolge von Erkennen, Mut und Machen.“
BSM: Du schießt heute Wettkämpfe in der olympischen Runde, in der Halle, der Bundesliga und im Feldbogensport. In welcher Disziplin liegt heute deine große Leidenschaft?
Rohrberg: Meine größte Leidenschaft ist und bleibt das Feldbogenschießen! Mich faszinieren die Herausforderungen, die der Parcours bereithält. Diesen Spaß an der Bewältigung von Herausforderungen finde ich in anderer Form auch bei anderen Disziplinen. Bei der olympischen Runde beispielsweise fasziniert mich besonders das Schießen bei Wind, weil es eine besondere Taktik einfordert. Das ist für mich wesentlich interessanter als das Schießen bei Windstille. Beim Feldbogensport kommen eine ganze Menge weiterer Parameter zusammen, wie das Wechselspiel aus Licht und Schatten, die Position der Scheibe im Gelände, der Untergrund, der sich für meinen Stand im Gelände bietet, und natürlich das Schätzen von unbekannten Entfernungen. Das alles bestmöglich zu bewältigen ist die Herausforderung, die meine Leidenschaft für den Feldbogensport immer wieder weckt.
BSM: Ist das vergleichbar mit einem Strategiespiel?
Rohrberg: Strategie spielt eine Rolle, aber es geht dabei ganz simpel um die Abfolge von Erkennen, Mut und Machen. Die Intuition hat hier auch einen hohen Stellenwert. Wenn du die Situation im Parcours nicht richtig erkennst, wenn dir der Mut fehlt, triffst du nicht.
BSM: In Norddeutschland gibt es zahlreiche Vereine mit großartigen Parcours. Würdest du dir ein reichhaltigeres Wettkampfangebot im Feldbogensport wünschen, und wie würde das in deiner Idealvorstellung aussehen?
Rohrberg: Vor Jahren gab es einen Niedersachsen-Cup im Feldbogenschießen. Vielleicht ist es schwierig für die Vereine, so einen Cup neu auf die Beine zu stellen. Aktuell veranstalten die Vereine Vereins- und Kreismeisterschaften. Einige der Vereine tragen diese Feldbogenwettkämpfe als offene Meisterschaften aus, an denen dann auch externe Feldbogensportler teilnehmen können. Ich würde mir wünschen, dass die Vereine beispielsweise ihre Kreismeisterschaft parallel als Arrowhead-Turnier ausschreiben würden. Wenn sich die Vereine dann auch noch untereinander absprechen, könnte man eine Arrowhead-Turnierserie starten, deren Wettkämpfe die Wochenenden von April bis Mai abdecken. Der zusätzliche Aufwand würde sich in Grenzen halten, da die Parcours ohnehin jährlich für die Kreismeisterschaften vorbereitet werden. Das wäre ein großartiger Schritt für den Feldbogensport, und man könnte wieder etwas mehr Schwung in diese Disziplin bringen. Selbst wenn sich zu Beginn möglicherweise die externe Beteiligung von Schützen in Grenzen halten sollte, bietet ein solches Modell ein Wachstumspotenzial, das dann den Feldbogensport belebt.

BSM: Welches sind im norddeutschen Bereich deine Top-Parcours, und welche Merkmale machen diese Parcours für dich so interessant?
Rohrberg: Ich kenne sicher nicht alle Parcours in Norddeutschland. Einige der alten Parcours gibt es heute nicht mehr. In Hornburg liegt ein sehr schöner Parcours mit besonderen Highlights. Hier kann der Wind einfallen, es gibt interessante Winkel, zwar nicht so extrem steile Schüsse, aber Hänge, die schwierig zu schießen sind. Dieser Parcours gefällt mir beispielsweise sehr gut. Auch im niedersächsischen Wildeshausen liegt ein sehr schöner Parcours, der zwar nicht so schwierig zu schießen ist, dennoch gibt es hier besondere Herausforderungen, wie Licht und Schatten sowie einige sehr schöne Winkel und Schrägen. Der Parcours in Delmenhorst ist markant, weil er ziemlich dunkel ist. Darüber hinaus gibt es natürlich weitere interessante Kurse, wie beispielsweise in Celle. Die Deutsche Meisterschaft 2022 in Celle war herausragend mit den 23 Scheiben, die von den Zuschauern einsehbar waren. Diese Parcours haben ihre individuellen Besonderheiten, und das macht sie so interessant. Selbst ein Kurs, der relativ gerade ist, bleibt herausfordernd, weil man letztlich immer noch treffen muss.
„Ich würde mir wünschen, dass die Vereine beispielsweise ihre Kreismeisterschaft parallel als Arrowhead-Turnier ausschreiben würden.“
BSM: Auf den Wettkämpfen schießt du den olympischen Recurvebogen. Gibt es auch andere Bogenarten, die du zumindest gelegentlich schießt?
Rohrberg: Compound, Jagdrecurve und den Blankbogen schieße ich immer wieder gerne. Mit dem Jagdrecurve hatte ich vor Jahren auch schon mal an einer 3D-Landesmeisterschaft teilgenommen. Der Jagdrecurve war ein alter Black Bear Hunter mit 58 Zoll und rund 45 Pfund Zuggewicht auf den Fingern. Das hat wirklich Spaß gemacht, und der Spaß stand hier auch im Vordergrund, auch wenn mein Anspruch erhalten blieb, die Scheiben ordentlich zu treffen. Den Longbow und den Reiterbogen schieße ich nicht so gerne.
BSM: Den Spaß am Bogenschießen hast du in den Jahren nie verloren?
Rohrberg: Den Spaß am Wettkampfsport hatte ich schon phasenweise verloren. Das betraf nie das Ligaschießen. Doch bei der FITA beziehungsweise bei der olympischen Runde gab es Momente, in denen mir der Spaß verloren gegangen war. Wenn ich diese Momente heute selbstkritisch betrachte, lagen die Ursachen nicht nur bei Externen – ich habe sicher auch meinen Teil aufgrund von Entscheidungen, die ich getroffen hatte, dazu beigetragen. Im Feldbogensport hatte ich den Kader verlassen, weil ich mit verschiedenen Rahmenbedingungen nicht zufrieden war. Trotz all dieser Phasen bin und bleibe ich Bogenschütze, und der Wettkampfsport kitzelt mich immer wieder.
<<< Foto: sr-5.jpg; BU: Im Scheinwerferlicht testet Tuningexperte Sebastian Rohrberg die Anlage für High Speed-Aufnahmen beim Bundeskader. >>>
BSM: Seit Jahren zählst du zu den Bogentunern, die beim Bundeskader eingesetzt werden. Kannst du einmal kurz darstellen, welche Aufgaben du dort übernimmst?
Rohrberg: Zusammen mit Rafael Poppenborg habe ich mich auf die High Speed-Anlage spezialisiert, die vom Institut für Angewandte Trainingswissenschaften bereitgestellt wird. Die Anlage bietet ein überaus interessantes Experimentierfeld innerhalb des Bogentunings. Sie ist kein absoluter Ersatz für die Schießtests, jedoch sind die High Speed-Aufnahmen eine wertvolle Hilfe für die Materialabstimmung. Die High Speed-Anlage gewährleistet eine Präzisierung und Beschleunigung des gesamten Tuningprozesses. Bei den Maßnahmen tune ich dann auch direkt am Equipment des Schützen.
BSM: Vor einigen Wochen haben wir uns im Feldbogenparcours in Wildeshausen getroffen. Du hast dort ein Coaching gegeben. Können dich Vereine oder auch Einzelsportler für ein solches Coaching buchen?
Rohrberg: Grundsätzlich ist so etwas möglich, wenn es meine Zeit zulässt. Und es ist natürlich auch eine Frage des Budgets. Im Feldparcours ist allerdings ein Coaching mit nur maximal zwei Sportlern sinnvoll. Tagesseminare bei Vereinen – beispielsweise im Bogentuning – können auch mehr Teilnehmer umfassen.
BSM: Das Bogenschießen ist nach wie vor deine große Leidenschaft. Verfolgst du heute sportliche Ziele, die du dir langfristig gesteckt hast?
Rohrberg: Momentan sind meine Trainingsumfänge dafür nicht ausreichend. Langfristig reizt mich die Teilnahme an einem internationalen Wettkampf auf jeden Fall. Vorbereitend wäre es erforderlich, meinen Trainingsumfang in der Hallensaison hochzusetzen, und damit kann ich relativ schnell zur Top-Form zurückfinden. Mein Anspruch wäre allerdings eine realistische Chance, in das Finale einer Europa- oder Weltmeisterschaft zu kommen. Andernfalls würde ich mich nicht für eine Teilnahme entscheiden. Die Schießleistung muss also in der betreffenden Saison passen.
Shoot-off-Spezialist Wijler ist es egal, wie er aussieht – wenn er gewinnt„Ein Shoot-off fühlt sich im wahrsten Sinne des Wortes an wie ein Pfeil, bei dem es um alles oder nichts geht“, sagt Steve Wijler, der am vergangenen Samstag im Tiebreak seinen zweiten Indoor World Series-Titel gewann.
Zum Beitrag «Shoot-off-Spezialist Wijler ist es egal, wie er aussieht»
(Quelle Text/Bild: worldarchery.sport)
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
was haben unsere Top-Athletinnen Lisa Unruh, Elena Richter und Karina Winter gemeinsam – außer, dass sie sowohl auf nationalem als auch auf internationalem Parkett den Bogensport eindrucksvoll (re-)präsentieren? Ich darf diese Frage – wie meistens an dieser Stelle – selbst beantworten: Sie sind durch dieselbe Kaderschmiede gegangen, wurden jeweils am „SLZB“ ausgebildet. „SLZB“ steht für „Schul- und Leistungssportzentrum Berlin“ und dieses ist nicht mehr, aber auch nicht weniger, als eine Eliteschule des Sports. Ganz nach dem Motto „früh übt sich“ werden die jungen Sportler*innen systematisch an den Bogensport herangeführt, Talente eruiert und für den Leistungssport vorbereitet. Dass es hier hochprofessionell zugeht, mag nicht weiter verwundern, wie systematisch sich die einzelnen Mosaikteile allerdings zu einem Gesamtkonzept fügen, ist nicht nur interessant sondern auch beeindruckend. Grund genug also, das Programm des Zentrums etwas ausführlicher vorzustellen. Günter Kuhr war für das BSM vor Ort.
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Sport im Allgemeinen (und Bogensport im Speziellen) ist immer auch Kopfsache, und zwar zu einem nicht unerheblichen Teil. Soweit nichts Neues. Der Placebo-Effekt beschreibt ebenfalls eine Kopfsache, nämlich das Eintreten einer Wirkung, ohne dass tatsächlich ein Wirkstoff verabreicht wurde. Demnach kann allein der Glaube an eine Wirkung diese auch auslösen. Wem es nun zu psychologisch wird, kann gerne aussteigen, ich würde aber empfehlen, das folgende Gedankenspiel (zumindest spaßeshalber) mitzuspielen: Würde man den Placebo-Effekt auf den Sport übertragen, ließen sich Leistungssteigerungen allein durch die Überzeugung erzielen, ein wirksames Mittel zur Ergebnisverbesserung gefunden zu haben. Dieses Mittel muss keineswegs ein Medikament sein, sondern kann ebenso gut ein neues Material oder eine neue Trainingsmethode darstellen. So bestätigt auch die anerkannte Sozialpsychologin Ellen Langer, dass der Placebo-Effekt im sportlichen Bereich eine wichtige Rolle bei der Verbesserung individueller Leistungen spielen kann. Und weiter: Dass es wichtig ist, die Möglichkeiten des Placebo-Effekts in der Sportpsychologie und -medizin zu erkunden und zu nutzen. Glücklicherweise kann das BSM bei solchen Themen auf einen besonders versierten Autor zugreifen. In diesem Sinne, lieber Markus Wagner: Vielen Dank, dass Sie die nicht ganz einfache Materie für uns aufbereitet haben.
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Am Ende bestimmen Angebot und Nachfrage über einen Preis. Diese Logik führt vor allem im Sport oft zu ungläubigem Kopfschütteln. Sei es, weil wir über wahnwitzige Beträge reden, wie zum Beispiel die Spielerablösen im Profifußball – oder sei es, weil die kommunizierten Beträge unser Gerechtigkeitsempfinden gehörig auf die Probe stellen. Genau so erging es unserer Autorin Anna Lena Gangluff, als sie sich für diese Ausgabe mit dem Thema „Preisgelder“ beschäftigt hat. Dass im Bogensport überwiegend deutlich geringere Preisgelder gezahlt werden, als in medienwirksameren Sportarten, mag sofort einleuchten. Aber dass beim selben Turnier Compound-Sieger mehr als Recurve-Sieger, Männer mehr als Frauen und Nichtbehinderte mehr als Parasportler erhalten, scheint erklärungsbedürftig. Wir sind dieser Frage auf den Grund gegangen und ich kann vorwegnehmen, dass es auch hierfür eine logische Erklärung gibt. Ob diese auch als fair oder gerecht empfunden wird, hängt wiederum sehr vom Blickwinkel des Betrachters ab. Marktwirtschaft eben …
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Liebe Leserinnen und Leser, soweit der kurze Überblick über die Themen unserer ersten Ausgabe des Jahres 2023. Selbstredend ist dies nur ein kleiner Auszug, unsere Redaktion hat sich wieder einiges darüber hinaus einfallen lassen. Lassen Sie sich einfach überraschen.
Herzlichst,
Ihr BSM-Team
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Bogen international: Als Nummer 1 der Welt in Las VegasVier DSB-Bogensportathleten sind die Tage über in Las Vegas/USA (3.-5. Februar), wo sie an den dortigen Hallen-Events teilnehmen. Eine davon ist Katharina Bauer, die als strahlende Weltranglisten-1. in die USA reist.
Zum Beitrag «Bogen international: Als Nummer 1 der Welt in Las Vegas»
(Quelle Text/Bild: www.dsb.de)


























