Ist die Zeit reif für Compounder bei den Olympischen Spielen?

Von Guille Garcia (Foto: Dean Alberga)
Leseprobe aus dem BOGENSPORT MAGAZIN 4/2023

Der Weltverband World Archery beantragte, das Compound-Bogenschießen in das Sportprogramm der Olympischen Spiele LA28 aufzunehmen. Der Antrag wäre nicht gestellt worden, wenn es keine guten Aussichten auf eine Aufnahme gegeben hätte. Die Entscheidung liegt allerdings allein beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Warum ist die Zeit reif für die Aufnahme des Compound-Sports in das größte Sportereignis von allen?

1. Große Trainer wechseln die Nationen

Korea hat vor kurzem seinen ersten internationalen Trainer für das Compound-Bogenschießen verpflichtet. Reo Wilde, der frühere Weltmeister im Bogenschießen, wurde Anfang des Jahres als Cheftrainer für Compound in den Kader aufgenommen. Das Land ist seit langem die führende Recurve-Nation und hat die olympischen Wettkämpfe lange Zeit dominiert. Das koreanische Compound-Programm ist relativ neu, erst etwa ein Jahrzehnt alt. Der Schritt, den 49-jährigen Wilde, der als einer der besten Compoundschützen der letzten zwei Jahrzehnte gilt, zu verpflichten und damit ausländisches Fachwissen einzubringen, ist eine klare Willensbekundung. Und Korea ist nicht das einzige große Team, das im Ausland nach Hilfe sucht. Sergio Pagni trainiert 2023 das Team in Indien. Bei zwei Weltmeisterschaften hat das Team bereits zwei Sieger hervorgebracht.

2. Hohes Niveau bei Frauen und Männern

Beim Compound-Bogenschießen geht es im Kern darum, absolute Perfektion zu erreichen. Es geht um die vollständige Kontrolle von Körper und Geist, um unter Druck Spitzenleistungen zu erbringen. Die Geschichte des Compound-Bogenschießens war früher aus Gründen, die nichts mit der Sportart selbst zu tun haben, eher von Männern als von Frauen geprägt. Aber in den letzten zehn Jahren haben sich das Niveau und die Zahl der weiblichen Eliteathleten drastisch erhöht. Angeführt wurde dieser Leistungsschub von Sara Lopez. Sie hat den Weltrekord von Reo Wilde bei den Compound-Männern von 150 Ringen mit zwölf Pfeilen im Xer-Ring beim Finale in Medellín im letzten Jahr eingestellt. Sie schaffte das, obwohl sie nicht mehr die dominierende Kraft von vor sieben Jahren ist. Die Compound-Damen-Kategorie ist derzeit wahrscheinlich die aufregendste und die am meisten umkämpfte auf der internationalen Bühne.

3. Beliebtheit

Der Compoundbogen wurde in den 1960er Jahren in den USA erfunden – als eine mechanisch effizientere Form des Bogenschießens. In den USA ist er bis heute weit verbreitet. Die internationale Anerkennung kam etwas später: 1995 wurde der Bogen bei den Weltmeisterschaften im Bogenschießen zugelassen, und in den folgenden drei Jahrzehnten etablierte sich der Bogen nach und nach in anderen Ländern. Von den fast 100 Ländern, die diesen Sommer bei den Hyundai World Archery Championships in Berlin antreten werden, schicken mehr als 70 Prozent Compound-Bogenschützen ins Rennen. Der Bogenstil ist heute international beliebt. Das gilt im Besonderen auch für die USA, wo die Olympischen Spiele 2028 stattfinden werden. Von den 3911 Bogenschützen, die sich für das weltberühmte Vegas Shoot 2023 angemeldet hatten, schießen 60 Prozent mit einem Compoundbogen. Und was ist mit dem Hauptereignis … jetzt stell dir das dramatische Finale in Las Vegas vor, aber mit dem Prestige der Olympischen Spiele im Rücken!

4. Die Kontinente

Compound-Bogenschießen ist jetzt auch bei den großen kontinentalen Multisportveranstaltungen vertreten. Bei den Europaspielen in Polen wurden zum zweiten Mal Compound-Meister in Einzel- und Mixed Team-Wettbewerben gekürt – ebenso wie bei den Panamerikanischen Spielen, die in diesem Jahr in Chile stattfinden. Bei den Asienspielen in Hangzhou gibt es zum ersten Mal ein komplettes internationales Wettkampfprogramm. 2014 wurde der Compound-Einzel- und 2018 der Compound-Mannschaftstitel vergeben. Bei der kommenden Ausgabe werden fünf Compound-Medaillen vergeben, die den fünf Medaillen in der Recurve-Disziplin entsprechen: Herren-Einzel, Damen-Einzel, Herren-Mannschaft, Damen-Mannschaft und Mixed Team. Für große Teams wie Indien, Korea und China sind diese Titel wichtige Vorboten für die Olympischen Spiele.

5. Format

Die Struktur der Wettbewerbe mit dem Recurve bei den Olympischen Spielen ist seit so langer Zeit (seit der Einführung des Kopf-an-Kopf-Wettbewerbs in Barcelona 1992) weitgehend gleichgeblieben. Die Umstellung auf die Matchplays sollte erreichen, dass der Sport innovativ ist, aber auch sicherstellen, dass die Veranstaltungen einen Mehrwert für das Programm bieten. Ist die Zeit also reif für Compound? Vielleicht – denn der vorgeschlagene 18-Meter-Hallenwettbewerb ist bei den Olympischen Spielen neu und anders – und alles passt. Die Teams nehmen den Compound-Wettbewerb ernst, mit professionellen Kadern und (manchmal ausländischen) Spitzentrainern. Die Disziplin ist weltweit beliebt, auf allen Kontinenten und in einigen der größten aufstrebenden Sportländer. Das Niveau der Weltbesten ist elitär und mit einem geringen Leistungsunterschied zwischen den besten Männern und Frauen an der Schießlinie. Und das Wichtigste in LA ist, dass der Compoundbogen zu seinen Wurzeln zurückkehren könnte, nämlich in die USA, wo dieser Bogenstil nach wie vor unglaublich beliebt ist. Ein olympischer Wettbewerb im Compound-Bogenschießen könnte die Millionen Menschen im ganzen Land ansprechen, die bereits selbst trainieren, und viele weitere dazu ermutigen, es sich einmal anzusehen.

eSports – ein Streitthema?

Manche Themen polarisieren, laden förmlich dazu ein, sich kritisch mit dem Sachverhalt auseinanderzusetzen. Und das ist auch gut so, denn gerade in der konstruktiven Diskussion kommen Argumente zum Vorschein, die man ursprünglich vielleicht nicht auf dem Schirm hatte. Die Sinnhaftigkeit der Olympic Esports Series, zu der das Internationale Olympische Komitee zuletzt nach Singapur eingeladen hatte, gehört sicherlich zu den Themen, über die man trefflich streiten kann.

Zur Info: Es handelt sich um eine Veranstaltung, bei der Athletinnen und Athleten in verschiedenen Disziplinen, unter anderem auch im Bogensport, mit Hilfe von entsprechenden Spielekonsolen virtuell gegeneinander antreten. Immerhin sind 130 Spieler*innen und rund 20.000 Fans diesem Aufruf gefolgt, was sicherlich darauf schließen lässt, dass das IOC die Zeichen der Zeit erkannt und einen Trend für sich genutzt hat. Andererseits sehen Fachleute im exzessiven Zocken auch eine Ursache für etliche Probleme, mit denen insbesondere Kinder und Jugendliche im Alltag zu kämpfen haben. Darf das IOC einfach darüber hinwegsehen? BSM-Autor Günter Kuhr hat seine Meinung dazu klar formuliert. Teilen Sie seine Kritik oder stehen für Sie andere Aspekte im Vordergrund? Lassen Sie uns wissen, was Sie von der Olympic Esports Series halten und schreiben Sie uns – am besten per E-Mail.

(Bild: Symbolbild Karolina Grabowska / pexels.com)


Kommentar zur Esport Series

Für einen Aprilscherz war das Jahr zu weit vorangeschritten, und der vom IOC proklamierte Meilenstein war zumindest beim digitalen Bogenschießen weit entfernt vom Ziel platziert. Die hohen Ansprüche an die koordinativen Fähigkeiten des physischen Bogenschießens wurden den Teilnehmern der Olympic Esport Series 2023 nicht abverlangt, stattdessen bewegten sie ihren Finger über die Glasscheibe eines Smartphones. Ich stellte mir die Frage, ob ich Zeit damit verbringen sollte, einen Beitrag über dieses Event zu schreiben. Doch letztlich gibt es dafür gute Gründe. Wenn das IOC dem Trend des Esports folgt, sollte man genauer hinschauen, was sich da entwickelt.

Die World Archery trat bereits im August 2020 der Global Esport Federation bei, einer in Singapur ansässigen Organisation, die Ende 2019 von dem chinesischen Multimedia Unternehmen Tencent gegründet wurde und finanzstarke Partner im Hintergrund hat. Die World Archery erklärte in einer Pressemitteilung, dass sie elektronische und ferngesteuerte Wettkämpfe erforscht hat, insbesondere während der COVID-19-Pandemie. Der Weltverband des Bogensports möchte die Mitgliedschaft in der Global Esports Federation nutzen, um weitere Möglichkeiten für den Sport im Videospielbereich zu untersuchen. Der Esport ist auf dem Vormarsch und fasziniert insbesondere Kinder und Jugendliche, die am Smartphone und der Spielekonsole viele Stunden am Tag trainieren müssen, wenn sie Erfolge auf den Wettkämpfen erreichen wollen.

Ich wage mal einen provokanten Blick in den Tagesablauf eines Kindes, das im Esport Erfolge einfahren möchte. Nach dem Stillsitzen des Kindes in der Schule folgt das Esport-Training im Kinderzimmer, bei dem kognitive Leistungen auf das Reagieren heruntergefahren werden. Anschließend werden vielleicht noch Social Media-Kontakte gepflegt. Bei den Hausaufgaben wird das Denken ausgelagert an die KI ChatGPT (die künstliche Intelligenz erledigt viele Hausaufgaben zuverlässig und schnell), und so bleibt für den Ausklang des Tages noch eine Netflix-Serie oder eine kleine Trainingseinheit im Esport vor dem Schlafengehen.

Vielleicht ist dieser Tagesablauf überspitzt dargestellt, doch als Trainer sehe ich Kinder beim Einsteigertraining im Bogenschießen, deren koordinative Fähigkeiten zum Teil so stark beeinträchtigt sind, dass ich Mitleid bekomme. Diese Entwicklung des Rückgangs von koordinativen Fähigkeiten beobachten seit Jahren Trainer und Sportlehrer. Koordination entwickelt sich nur bei koordinativen Anforderungen, keineswegs beim Bewegen eines Fingers über die Glasscheibe des Smartphones oder am Joystick der Spielekonsole.

Von Kindeswohlgefährdung spricht der Neurowissenschaftler und Psychiater Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer. Während jeder Stunde, die ein Kind mit digitalen Medien verbringt, können sich koordinative Fähigkeiten nicht ausbilden, und die kognitiven Fähigkeiten, die wie bei einem Muskel trainiert werden müssen, werden auf das Reagieren reduziert. Spitzer, der als ärztlicher Direktor an der Psychiatrischen Universitätsklinik Ulm arbeitet, sieht zudem einen Zusammenhang zwischen dem übermäßigen Konsum von digitalen Medien und der explosionsartigen Entwicklung von Depressionen bei Kindern und Jugendlichen. Das beschrieb der Neurowissenschaftler schon 2015 in seinem Spiegel-Bestseller „Digitale Demenz – Wie wir unsere Kinder um den Verstand bringen“.

„Gesund zocken will gelernt sein“, schreibt die Bergische Krankenkasse auf ihrer Website. Sie ist offizieller Gesundheitspartner der Akademie des eSport-Bundes Deutschland und gibt auf ihrer Website www.bergische-krankenkasse.de Antworten auf die Fragen: Ist Gaming gut oder schlecht für mein Kind? Welche positiven Seiten hat das Zocken? Was sind eSports? Zusammengefasst sucht die Krankenkasse nach Kompromissen und empfiehlt den Eltern eine zeitliche Begrenzung für elektronische Spiele und den eSport, Absprachen, Augenmaß und Alternativen, damit Zeit für die Entwicklung anderer Fähigkeiten bleibt. Doch es bleibt dabei: Wenn Kinder im Esport erfolgreich sein wollen, werden sie in der Praxis viele Stunden trainieren müssen. Letztlich bin ich ein Verfechter der Freiheit und der Selbstverantwortung, so dass jeder Mensch über seine Freizeitgestaltung entscheiden soll – und Eltern übernehmen die Verantwortung für ihre Kinder.

Das Prinzip von Ursache und Wirkung wird allerdings niemand aushebeln können. Von den Sportverbänden wünsche ich mir Verantwortung bei der Entwicklung von Sportprogrammen, insbesondere wenn diese Angebote im besonderen Maße Kinder und Jugendliche ansprechen. Immer dann sollten diese Sportprogramme die kindliche Entwicklung fördern. Dazu zählt die Entwicklung von koordinativen und kognitiven Fähigkeiten, damit Kinder fit gemacht werden für das Leben in der realen Welt.

Für mich persönlich ist nun aber die Zeit gekommen, mich vom Esport abzuwenden und den Rest des Tages am Bogensportplatz in der Natur zu verbringen, dort wo die Sonne lacht, die Blätter an den Bäumen den einfallenden Wind ankündigen, dort wo ich liebenswerte Menschen im realen Leben begegne.

GÜNTER KUHR

Editorial zur Ausgabe 4/2023

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

gewöhnlich beginne ich mit dem Editorial, kurz bevor die aktuellen Magazinseiten zu unserem Druckpartner übermittelt werden. Nicht ohne Grund, denn so ist es mir möglich, an dieser Stelle noch auf aktuelle Ereignisse einzugehen. Dementsprechend schreiben wir heute den 24. Juli, während Sie das aktuelle Magazin voraussichtlich erst am 9. August in den Händen halten werden. Druck und Logistik folgen zwar eingespielten Prozessen, brauchen aber dennoch ihre Zeit. Wenn ich dann noch feststelle, dass die Bogen-WM vom 31. Juli bis 6. August stattfinden wird, ahnen Sie vielleicht schon, worauf ich mit diesen Zeilen hinauswill: Bei dieser Terminkonstellation ist es uns schlicht und ergreifend nicht möglich, die Bogen-WM im gedruckten Heft stattfinden zu lassen. Das bedauern wir sehr, zumal wir schon seit geraumer Zeit auf die WM im eigenen Land hinfiebern und unseren Athlet*innen vom Guten nur das Beste wünschen. Aber wenn Sie diese Zeilen lesen, wissen Sie schon längst, wie es gelaufen ist – vielleicht auch, weil Sie uns regelmäßig auf bogensport.de und unseren Social-Media-Kanälen begleiten.

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Wissen Sie, was man unter Prokrastination versteht? Ich vermute: Ja, auch wenn Sie diesen Begriff noch nie gehört haben sollten. Immerhin neigen etwa zwanzig Prozent aller Menschen in mehr oder weniger ausgeprägter Form dazu, wichtige Aufgaben aufzuschieben und stattdessen Dinge mit geringerer Priorität anzugehen. Hatten Sie gerade einen Aha-Effekt? Dann befinden Sie sich wahrscheinlich in bester Gesellschaft, denn das Phänomen „Aufschieberitis“, wie Prokrastination umgangssprachlich auch genannt wird, dürfte wohl jedem schon einmal begegnet sein. Doch längst nicht immer handelt es sich dabei um eine „gelegentliche Neigung“, im schlimmsten Fall kann diese Störung krankhafte Ausmaße annehmen – mit erheblichen Folgen für das Selbstwertgefühl der Betroffenen. Unser Autor Markus Wagner gibt in seinem lesenswerten Beitrag nützliche Tipps, wie sich die Herangehensweise an Aufgaben besser organisieren lässt – hilfreich für nahezu alle Lebenslagen, völlig unabhängig, ob oder wie stark Sie prokrastinieren oder nicht.

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Manche Themen polarisieren, laden förmlich dazu ein, sich kritisch mit dem Sachverhalt auseinanderzusetzen. Und das ist auch gut so, denn gerade in der konstruktiven Diskussion kommen Argumente zum Vorschein, die man ursprünglich vielleicht nicht im Blick hatte. Die Sinnhaftigkeit der Olympic Esports Series, zu der das Internationale Olympische Komitee zuletzt nach Singapur eingeladen hatte, gehört sicherlich zu den Themen, über die man trefflich streiten kann. Kurz zur Erklärung: Es handelt sich um eine Veranstaltung, bei der Athletinnen und Athleten in verschiedenen Disziplinen, unter anderem auch im Bogensport, mit Hilfe von entsprechenden Spielekonsolen virtuell gegeneinander antreten – meine Kinder würden es wahrscheinlich „Zocken“ nennen. Immerhin sind 130 Spieler und rund 20.000 Fans diesem Aufruf gefolgt, was sicherlich darauf schließen lässt, dass das IOC die Zeichen der Zeit erkannt und einen Trend für sich genutzt hat. Andererseits sehen Fachleute im exzessiven Zocken auch eine Ursache für etliche Probleme, mit denen insbesondere Kinder und Jugendliche im Alltag zu kämpfen haben. Darf das IOC darüber einfach hinweggehen? BSM-Autor Günter Kuhr hat seine Meinung dazu klar formuliert. Teilen Sie seine Kritik oder stehen für Sie andere Aspekte im Vordergrund? Lassen Sie uns wissen, was Sie von der Olympic Esports Series halten und schreiben Sie uns – am besten per E-Mail an redaktion@bogensport.de.

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Und was gibt es sonst noch? Wie gewohnt finden Sie in dieser Ausgabe wieder allerlei Nützliches, Unterhaltsames und Interessantes rund um Ihren Lieblingssport. Lassen Sie sich überraschen, wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre.

Herzlichst,

Ihr BSM-Team

 

In unserer Rubrik Altausgaben können Sie diese (und andere) Ausgaben online bestellen und sich bequem per Post liefern lassen.

Krüger präsentiert wasserfeste Bogenscheiben-Auflagen bei WM

Der Klimawandel und immer extremere Wetterbedingungen mit Starkregen veranlasst KRÜGER sein Produktportfolio um wasserfeste Bogenscheiben-Auflagen zu erweitern, denen Regen und Wetterwechsel nichts ausmacht. Somit erreichen die zwei verschiedenen Modelle bei nassen Wetter 4 bis 5-fache Standzeiten gegenüber den mit Nylonfäden verstärkten Papierauflagen.

Als neu lizensierte Wettkampf-Auflagen der World Archery werden die wasserfesten Auflagen bei der Bogen-WM in Berlin bei schlechtem Wetter erstmalig im Einsatz sein.

KRÜGER bietet 122 cm-, 80cm- und einen 4-er Spot der 6-Ring 80cm-Auflagen in einer Standardversion aus Polyester Vliesstoff und einer neuartigen biologisch abbaubaren ÖKO-Version an.

Die Verkaufspremiere der Auflagen ist beim Krüger Ausstellungszelt auf dem Maifeld vor dem Olympiastadion. Nach der WM sind die neuen Auflagen auch online unter www.krueger-scheiben.de erhältlich.

Editorial zur Ausgabe 03/2023

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

dass wir uns regelmäßig auf Autorensuche begeben, dürfte (hoffentlich) kein Geheimnis mehr sein. Dass wir ab und zu auch ein Feedback erhalten, ist an und für sich eine schöne Bestätigung. Dass wir in diesem Feedback erst mal eins „auf die Mütze“ kriegen und aufgefordert werden, uns ob unserer Anzeige zu schämen, ist eher selten – sogar ziemlich selten. Ich gebe zu, mein Mauszeiger war schon über dem Mülleimer-Symbol, um mich auf diesem Wege der unerwünschten Kritik zu entledigen, als ich mich doch dazu entschloss, mir den verhältnismäßig langen Text vollständig zu Gemüte zu führen. Und siehe da, die vermutete Schmäh-Mail entpuppte sich als Bewerbung – unkonventionell und alles andere als offensichtlich – aber eine Bewerbung. Geschrieben hatte uns Tom Krenz, der seine Wurzeln im Herzen des Ruhrgebietes hat und wortgewandt auch vor Tacheles nicht zurückschreckt – eben so, wie es den Menschen aus dem Pott in die Wiege gelegt wurde. Letztendlich war es der durchaus eigenwillige, aber auch authentische Schreibstil des Absenders, der uns dazu bewogen hat, die „Sache“ weiterzuverfolgen. Gesagt getan, und so freuen wir uns, Ihnen in dieser Ausgabe die erste Folge unserer neuen Rubrik „Toms Tagebuch“ von Tom Krenz zu präsentieren. Manchmal kommt es anders, als man denkt – in diesem Fall: zum Glück.

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Über folgenden Satz unseres Autors Markus Wagner bin ich bei der Vorbereitung dieses Editorials geradezu gestolpert – ich zitiere: „… und kamen gemeinsam zu dem Schluss, dass Bogenschützen mit Sehbehinderung durchaus Vorteile gegenüber sehenden Bogenschützen haben. Zumindest im mentalen Bereich.“ Ja, ich hatte eine Ahnung, worauf Markus hinauswollte – nur so richtig vorstellen konnte ich mir das nicht. Das ändert sich allerdings schnell, je mehr man sich in den Artikel einliest und sich mit der Materie beschäftigt. Plötzlich verlieren Ausdrücke wie „vestibulärer Sinn“, „taktile Wahrnehmung“ und „Propriozeption“ ihren Schrecken und man bekommt auch als „Sehender“ richtig Lust darauf, sich die Sinnesschärfungen anzutrainieren, die Menschen mit Beeinträchtigungen häufig schon aufgrund ihrer Behinderung beherrschen. Hierzu noch eine schöne Notiz am Rande: Als Sparrings-Partnerin zu diesem Bericht fungierte Inge Enzmann, die als A-Trainerin beim BSV Erlangen unter anderem auch Bogenschützen mit Sehbehinderung trainiert. Inge Enzmann hat 1988 bei den paralympischen Spielen in Seoul mit der Damenmannschaft die Silbermedaille gewonnen.

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Apropos Inge Enzmann: Während Markus Wagner in seinem Beitrag den Fokus auf das Schärfen von Sinnen bei Sehenden setzt, beschäftigt sich unsere Autorin Anna-Lena Gangluff – wiederum in Zusammenarbeit mit Inge Enzmann – mit der Ausübung des Bogensports bei tatsächlich (seh-)behinderten Sportler*innen. Auch wenn Sie selbst von diesem Thema nicht betroffen sein sollten, empfehle ich Ihnen, sich die Zeit für den Themenschwerpunkt dieser Ausgabe zu nehmen. Sie werden großartige Athlet*innen und ihre interessanten, teilweise anrührenden, aber auch mutmachenden Geschichten kennenlernen. Nicht zuletzt erfahren Sie die Bestätigung, wie extrem anpassungsfähig der Bogensport ist, ungeachtet jedweder Beeinträchtigungen und eingeschränkter Fähigkeiten. Oder, um es mit Inge Enzmann zu sagen: „Man kann es versuchen, man kann scheitern. Hat man es nicht versucht, ist man schon gescheitert!“. Dem ist nichts hinzuzufügen.

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Wie immer an dieser Stelle, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich Ihnen eine unterhaltsame und anregende Lektüre.

Herzlichst,

Ihr BSM-Team

 

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Bogen-WM: Über Berlin nach Paris

Bei der Bogen-WM in Berlin (31. Juli bis 6. August) geht es in erster Linie um die WM-Kronen und -Medaillen. Aber es werden auch 24 der insgesamt 128 (je 64 bei Frauen und Männern) Quotenplätze für die Olympischen Spiele 2024 in Paris vergeben – natürlich auch ein großes Ziel der DSB-Athleten.

Zum Beitrag «Bogen-WM Berlin: Über Berlin nach Paris»

(Quelle: www.dsb.de / Bild: Eckhard Frerichs)

Die Philosophie des Kampfrichterwesens

Im Gespräch mit Sabrina Steffens
Von Günter Kuhr
Leseprobe aus dem BOGENSPORT MAGAZIN 2/2023


Als Sabrina Steffens im Jahre 2003 ihre Kampfrichterausbildung antrat, hatte sie zuvor Widerstände überwunden, um überhaupt die Zulassung für die Ausbildung zu erhalten. Sie war mit 20 Jahren noch sehr jung und zudem in Deutschland die erste Frau, die sich das Ziel gesetzt hatte, in dem von Männern dominierten Kampfrichterwesen Fuß zu fassen. Wie gut, dass Sabrina Steffens schließlich Rückendeckung von Klaus Lindau und Wolfgang Böker bekam, die ihr den Weg in die Kampfrichterausbildung schließlich ermöglichten. Heute ist die 43-jährige freiberufliche Übersetzerin Mitglied im Kampfrichterkomitee der World Archery, Vorstandsmitglied im Europäischen Bogensportverband WAE, Bundesreferentin der Kampfrichter Bogen beim Deutschen Schützenbund, Mitglied im Bildungsausschuss, Mitglied der Technischen Kommission und Landesbogenreferentin im Hessischen Schützenverband. Im Gespräch mit dem Bogensport Magazin skizziert Sabrina Steffens den Wandel im Kampfrichterwesen, spricht über die Ausbildung, über Regeln und Regelverstöße im Bogensport und über ihre persönliche Faszination, ehrenamtlich als Kampfrichterin zu arbeiten und Teil einer großen Bogensportfamilie zu sein.

BSM: Seit wann bist du beim Bogensport?

Sabrina Steffens: Im Grunde genommen bin ich seit meiner Geburt dabei. Mein Bruder und mein Vater fingen mit dem Bogenschießen an, als ich gerade geboren war, und sie schossen in unserem Garten auf meine Windelkartons. Meine Kindheit verbrachte ich quasi auf dem Bogensportplatz. Meine ersten Pfeile schoss ich damals mit zehn Jahren.

BSM: Haben wir aktuell genügend Kampfrichterinnen und Kampfrichter im Bogensport, oder wünschst du dir einen Zuwachs – speziell in Deutschland?

Sabrina Steffens: Wir konnten im Oktober eine Ausbildung mit 16 neuen A-Kampfrichtern abschließen. Damit haben wir aktuell 101 Kampfrichter im DSB mit einer A-Lizenz. Diese Gruppe ist auf den ersten Blick recht groß. Berücksichtigt werden muss aber, dass in den letzten Jahren der Bedarf durch einen Zuwachs von Wettkämpfen größer wurde. Beispielhaft sind hier die Finals und die Ruhr Games zu erwähnen. Zu bedenken ist auch, dass einige Kampfrichter die A-Lizenz abgeschlossen haben, um bei einer Landesmeisterschaft oder einem rekordberechtigten Turnier in ihrer Region eingesetzt werden zu können, jedoch keine Wettkämpfe auf Bundesebene mit längeren Fahrtzeiten betreuen möchten. Das ist im Ehrenamt völlig legitim, doch letztlich entstehen trotz der recht hohen Zahl der Kampfrichter mit einer A-Lizenz immer wieder Engpässe bei Wettkämpfen auf Bundesebene. Insbesondere bei den Liga-Wettbewerben fehlen uns immer wieder Kampfrichter aus der unmittelbaren Umgebung der Wettkampforte. Das hat eine Bedeutung für die ausrichtenden Vereine, denn sie tragen bei den Liga-Wettkämpfen die Reisekosten der Kampfrichter. Ein Zuwachs der Kampfrichter ist daher wünschenswert und könnte insbesondere auch regionale Engpässe besser ausgleichen.

BSM: Was sind die Voraussetzungen, und welchen Weg geht ein Interessierter, der sich für die Funktion des Kampfrichters interessiert?

Sabrina Steffens: Die Kampfrichterausbildung beginnt mit der B-Lizenz im jeweiligen Landesverband. Die Ausbildung orientiert sich am Qualifizierungsplan des DSB. Das Einstiegsalter für die Ausbildung liegt bei 18 Jahren. Interessenten müssen mindestens zwei Jahre aktiv Bogen geschossen haben. Der Einstieg in die Ausbildung beginnt mit einer schriftlichen Zulassungsprüfung, die insgesamt 20 Fragen umfasst. Die Fragen beantworten die Bewerber zu Hause, und sie können dabei Fachliteratur nutzen. Hier wird ein allgemeines Verständnis zum Umgang mit dem Regelwerk abgefragt. Die Landesverbände organisieren die Kampfrichterausbildung selbständig. Die Ausbildung für die B-Lizenz besteht aus drei Modulen. Das Modul 1 ist ein Pflichtmodul und umfasst in Hessen drei Ausbildungstage an einem Wochenende. Nach dem Abschluss kann der Kampfrichter bereits bei Wettkämpfen im Freien und in der Halle eingesetzt werden. Nach dem Modul 2 können die Kampfrichter dann auch bei Feld- und 3D-Wettkämpfen eingesetzt werden. Das Modul 3 betrifft die Liga-Wettkämpfe, und der Abschluss ist für den Einsatz der Kampfrichter in diesem Wettkampfbereich erforderlich. Auch die Module 2 und 3 umfassen in Hessen jeweils drei Ausbildungstage an einem Wochenende. Hinzu kommen dann Hospitationen bei einer Landesmeisterschaft. Zum Abschluss der Kampfrichterausbildung folgt eine schriftliche Prüfung mit rund 50 Fragen zu den verschiedenen Themengebieten. Sind die Hospitation und die schriftliche Prüfung gut gelaufen, erhalten die Teilnehmer die B-Lizenz und können auf Landesebene eingesetzt werden.

BSM: Wer trägt die Kosten der Ausbildung?

Sabrina Steffens: Das regelt jeweils der Landesverband. In Hessen übernimmt der Landesverband die Verpflegungs- und Übernachtungskosten. Die späteren Kampfrichter übernehmen die Kosten für die Anschaffung ihrer Kampfrichterausrüstung (u. a. Lupe und Blankbogenring) selbst. Für die Kampfrichterbekleidung gibt es hier einen Zuschuss. Im konkreten Einzelfall sollte der Bewerber die Kostenfrage beim jeweiligen Landesverband klären.

BSM: Welchen Weg geht ein Kampfrichter, der auch international eingesetzt werden möchte?

Sabrina Steffens: Voraussetzung ist zunächst, dass der Kampfrichter seit mindestens zwei Jahren mit einer A-Lizenz auf DSB-Meisterschaften eingesetzt war. Eine weitere Voraussetzung sind gute Kenntnisse in der englischen Sprache, denn die gesamte Ausbildung einschließlich der Prüfungsfragen wird in Englisch abgehalten. Zudem muss der Bewerber eine Empfehlung des DSB erhalten haben, nachdem er sich auf Bundesebene bewährt hat. Dann darf er zunächst die Ausbildung zum kontinentalen Kampfrichter absolvieren und wird unter anderem auf Europameisterschaften und Grand Prix eingesetzt. Nach weiteren zwei Jahren darf er mit der Empfehlung des DSB und der WAE (dem europäischen Bogensportverband) an der Ausbildung zum internationalen Kampfrichter der WA teilnehmen. Daneben gibt es speziell die Kategorie der Jugendkampfrichter der WA (Youth Judges). Für diese Ausbildung muss man lediglich Kampfrichter A sein, darf nicht älter als 30 Jahre sein und muss über gute Englischkenntnisse verfügen.

BSM: Was war für dich persönlich die Motivation, die Kampfrichterausbildung zu absolvieren?

Sabrina Steffens: Ich hatte schon immer den Traum, an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Und da ich wusste, dass ich das als Schützin niemals schaffen werde, entschied ich mich, Kampfrichterin zu werden, weil ich hier eine realistische Chance sah (lacht). Darin lag meine Motivation, diesen Weg zu gehen. 2016 ging mein Traum in Erfüllung, als ich in Rio de Janeiro als Kampfrichterin bei den Olympischen Spielen eingesetzt wurde. Für mich war das ein großes Erlebnis, denn die Olympischen Spiele sind einfach etwas Außergewöhnliches, und sie unterscheiden sich von anderen Wettkämpfen, bei denen ich bisher eingesetzt war.

BSM: Gibt es grundsätzliche Veränderungen im Kampfrichterwesen in den letzten Jahrzehnten?

Sabrina Steffens: Früher sah man die Kampfrichter als die Herren des Wettkampfes an, die Rotröcke, die als Autoritäten auftraten. Als zehnjähriges Mädchen empfand ich dieses Auftreten schon ein wenig militärisch, und ich fühlte mich nicht immer wohl, wenn ich in den Augen der Kampfrichter etwas falsch gemacht hatte. Diese Erfahrung war für mich übrigens auch ein Grund, Kampfrichterin zu werden. Ich wollte als Kampfrichterin den Kindern den Spaß am Wettkampf erhalten. Gottseidank gab es hier in den letzten Jahrzehnten einen Wandel. Inzwischen sind die Kampfrichter zu einem echten Teil dieser Bogensportfamilie geworden. Heute zählt es zur Philosophie des Kampfrichterwesens, unterstützend zu arbeiten und dabei das Regelwerk im Blick zu behalten. Die internationalen Kampfrichter prüfen nicht etwa, ob sie bei einem Regelverstoß dem Schützen einen Ring abziehen können, sondern ob der Kampfrichter die Ringe bewahren kann, wenn der Regelverstoß das zulässt. Die Zusammenarbeit mit den Athleten ist heute wesentlich freundschaftlicher geworden. Das ist eine sehr positive Entwicklung.

BSM: Du bist in Deutschland recht jung und zudem noch als Frau in das Kampfrichterwesen eingestiegen, das damals von Männern dominiert war. Wie war dieser Einstieg für dich?

Sabrina Steffens: Als ich im Jahre 2003 anfing, war ich 20 Jahre alt, und es war sehr ungewöhnlich, dass eine so junge Frau Kampfrichterin werden wollte. Ich musste tatsächlich gegen viele Widerstände ankämpfen, um überhaupt in die Ausbildung zu kommen. Unterstützung erhielt ich von dem damaligen Bundesbogenreferenten Klaus Lindau sowie von dem nationalen und internationalen Kampfrichter Wolfgang Böker. Ohne diese Unterstützung hätte ich damals tatsächlich keine Zulassung für die Kampfrichterausbildung bekommen. Unter den damaligen Kampfrichtern gab es wenig Zustimmung für mich. Ich bin dennoch diesen Weg gegangen, und das fiel in eine Zeit, in der auch beim Weltverband ein Umdenken im Bereich des Kampfrichterwesens Einzug hielt. Das Kampfrichterwesen sollte damals durch jüngere Kampfrichter ergänzt werden. 2009 richtete der Weltverband eine neue Kategorie von Kampfrichtern ein, die Jugendkampfrichter, die speziell für die Jugendolympiade in Singapur ausgebildet wurden. Diese Entwicklung fiel direkt in die Zeit meiner Anfangsjahre als Kampfrichterin. Ich rutschte dort hinein und bin froh, dass es diese Entwicklung gab. Heute werden also auch jüngere Kampfrichter akzeptiert. Ich selbst bin eine große Verfechterin dafür, dass gerade jüngere Kampfrichter aufgenommen und gefördert werden. Daher appelliere ich an die jüngeren Bogenschützen, dass sie diesen Weg gehen, und kann ihnen sagen, dass sie hier sehr gerne aufgenommen werden. Diesen Appell richte ich auch und insbesondere an die Frauen. Ich war 2009 die erste deutsche Frau, die internationale Kampfrichterin im Bogensport wurde, und auch heute sind die Frauen noch deutlich in der Unterzahl. Von den 101 Kampfrichtern mit einer A-Lizenz in Deutschland sind lediglich 30 Frauen eingesetzt. Dieses Verhältnis darf sich in der Zukunft noch besser anpassen.

BSM: Was macht dir besonders Spaß an der Tätigkeit als Kampfrichterin?

Sabrina Steffens: Mir macht es wirklich Spaß, Teil dieser großartigen Bogensportfamilien zu sein. Ich bin national und international mit den Athleten im Kontakt und Teil einer weltweiten Kampfrichtergemeinschaft. Wir kennen uns untereinander, und diese Verbundenheit ist einfach großartig.

BSM: Wie häufig erfolgt ein Einsatz als internationaler Kampfrichter?

Sabrina Steffens: Internationale Wettkämpfe dauern in der Regel eine ganze Woche, zuzüglich der Zeiten für die An- und Abreise. Die Kampfrichter verpflichten sich, mindestens einmal innerhalb von zwei Jahren international eingesetzt zu werden. Ein Kampfrichter kann sich letztlich für alle internationalen Wettkämpfe eintragen und wird dann je nach Bedarf auch häufiger eingesetzt. Nach meinem Einstieg als internationale Kampfrichterin war ich etwa zwei Mal im Jahr eingesetzt. Nach der Geburt meiner Kinder musste ich meine Einsätze reduzieren und versuche aktuell, einen internationalen Einsatz pro Jahr zu realisieren.

BSM: Gibt es Überlegungen der World Archery, die Kampfrichter künftig als Vollprofis einzusetzen?

Sabrina Steffens: Es ist aktuell nicht vorgesehen, den Kampfrichter als Beruf umzuwandeln. Das wäre auch in der Praxis schwierig umzusetzen, da es im Winterhalbjahr zu wenige internationale Wettkämpfe gibt. Seit einigen Jahren gibt es allerdings Überlegungen, die Einsätze finanziell zu vergüten, so dass die Bereitschaft der Kampfrichter steigt, mehrere Einsätze im Jahr anzunehmen. Ob diese Überlegungen aktuell vorangetrieben werden, kann ich nicht sagen.

BSM: Gibt es typische Situationen, die im Wettkampf zu einer Intervention durch die Kampfrichterinnen und Kampfrichter führen, und gibt es Tipps für Sportlerinnen und Sportler, diese Situationen zu vermeiden?

Sabrina Steffens: Typische Situationen haben wir bei der Ausrüstungskontrolle, denn hier werden immer wieder nicht regelkonforme Ausrüstungsmerkmale festgestellt. Ein langjähriges Themenfeld ist die nicht regelkonforme Bekleidung bei einigen Wettkampfteilnehmern. Hier lohnt es sich, das Regelwerk in Bezug auf die zulässigen Ausrüstungsgegenstände und die Bekleidung zu lesen. In unklaren Fällen kann es sich lohnen, einen Kampfrichter im Vorfeld zu fragen. Ich bekomme beispielsweise immer wieder E-Mails mit Fragen zugeschickt, die ich dann beantworte. In einigen Fällen werden mir auch Fotos von Ausrüstungsgegenständen zugeschickt, die ich dann ansehe und eine Auskunft erteile. Natürlich ist es besser, eine Frage schon im Vorfeld des Wettkampfes zu klären, weil der Schütze dann im Training einen Ausrüstungsgegenstand korrigieren oder ersetzen kann. Im Hinblick auf die Regeln ist mir im vergangenen Sommer aufgefallen, dass einige Schützen den Ablauf der Finalwettkämpfe nicht genau kennen. Hier lohnt es sich, die schon vor dem Wettkampf die Ausschreibungen mit dem Finalmodus zu lesen. In der Sportordnung des DSB sind beispielsweise die Regeln für die neu eingeführten Teamfinals noch nicht beschrieben, und deshalb ist ein Blick in die internationalen Regeln sinnvoll. Dazu gibt es eine deutsche Übersetzung, hier werden die Regeln für das Teamfinale beschrieben. Zu den typischen Situationen, die wir als Kampfrichter im Wettkampf erleben, zählt auch, dass den Schützen die Bedeutung der gelben und roten Karte nicht bekannt ist. Muss der Kampfrichter die Regel erst erklären, läuft dem Schützen die Zeit davon, und er kann im schlimmsten Fall seinen letzten Pfeil nicht mehr schießen, weil einfach die Zeit abgelaufen ist. Viele Bogenschützen kennen die Bedeutung der gelben und roten Karte aus dem Fußball, doch im Bogenschießen haben die Karten eine andere Bedeutung.

BSM: Könntest du einmal die Bedeutung der gelben und roten Karte erläutern?

Sabrina Steffens: Mit der roten Karte signalisiert der Kampfrichter, dass ein Pfeil außerhalb der verfügbaren Zeit geschossen wurde. Als Konsequenz wird der Pfeil mit der höchsten Wertung in dieser Passe abgezogen. Im Bogensport ist die rote Karte also kein Platzverweis. Die gelbe Karte gibt es nur im Teamwettbewerb. Der Kampfrichter signalisiert damit einen Fehler des Schützen, wie etwa einen Wechselfehler, bei dem der Schütze zu früh an die Schließlinie herangetreten ist oder den Pfeil zu früh aus dem Köcher genommen hat. Die Konsequenz der gelben Karte ist eine Zeitstrafe, und der Schütze muss noch einmal hinter die Ein-Meter-Line zurücktreten und gegebenenfalls den Pfeil zurück in den Köcher stecken. Erst danach darf er zurück auf die Schießlinie gehen.

BSM: Könntest du etwas zu den Regeln über die Kommunikation zwischen dem Schützen und dem Coach sagen?

Sabrina Steffens: Steht der Schütze auf der Schießlinie, darf der Coach den Schützen ansprechen und Hinweise geben, der Schütze darf jedoch nicht mit dem Coach sprechen. Diese Regel gilt auf nationalen und internationalen Wettkämpfen. Eine Kommunikation durch Zeichen ist dem Sportler erlaubt. Das sind immer wiederkehrende Fälle, in denen wir selbst von Schützen angesprochen werden, weil störende Gespräche auf der Schießlinie geführt werden. Die meisten Schützen verhalten sich hier aber regelkonform und fair.

BSM: Hattest du während deiner Tätigkeit als Kampfrichterin eine Situation, in der du einen Sportler vom Wettkampf ausschließen musstest?

Sabrina Steffens: In zwei Fällen erlebte ich Schützen, die sich bei der Bogenkontrolle uneinsichtig zeigten, sich laut und respektlos verhielten, so dass ich die Schützen jeweils des Wettkampffeldes verwies. Ein weiterer Fall betraf einen Elternteil eines Schülers, der die Kampfrichter verbal attackierte und infolgedessen vom Wettkampffeld verwiesen wurde.

BSM: Gibt es neben der Sportordnung eine weitere Quelle für Informationen rund um das Regelwerk im Bogensport?

Sabrina Steffens: Die Sportordnung ist weiterhin die wichtigste Informationsquelle. Die gibt es seit August 2022 auch als ein kleines, praktisches Büchlein. Darüber hinaus gibt es das Kampfrichter-Handbuch, das natürlich auch für Schützen interessant ist. Darin enthalten sind weitere Informationen zur Interpretation von Regeln und zum Ablauf von Wettkämpfen. Bei dem Kampfrichter-Handbuch handelt es sich um eine Ergänzung zum Regelwerk des Weltverbandes World Archery, und es steht jedem Interessierten in der Kampfrichterwelt der DSB-Website als PDF-Download zur Verfügung. In der Rubrik Kampfrichterwelt gibt es auch aktuelle Newsletter mit Informationen zu Regeländerungen und Interpretationen, zu praxisrelevanten Besonderheiten von den Wettkämpfen und den Interpretationen im Sinne des Regelwerkes. Diese Newsletter sind dort archiviert und können von jedem Interessierten eingesehen werden.

BSM: Du bist Mitglied in der Technischen Kommission im DSB. Könntest du die Aufgaben der Kommission skizzieren?

Sabrina Steffens: Eine der Aufgaben der Technischen Kommission Bogen im DSB ist es, die Regeln des Weltverbandes auf das nationale Regelwerk zu übertragen. Wenn also die World Archery neue Regeln oder Interpretationen herausgibt, prüfen wir die Umsetzung für das nationale Regelwerk. Weiterhin beantworten wir Fragen von den Landesverbänden oder auch von Schützen zu Ausrüstungsgegenständen im Hinblick auf die Konformität mit dem Regelwerk, und wir sind für den Teil 6 der Sportordnung zuständig.

BSM: Welche Highlights warten 2023 auf dich als Kampfrichterin?

Sabrina Steffens: Die Weltmeisterschaft 2023 in Berlin, bei der ich als Kampfrichterin eingesetzt bin. Im nationalen Bogensport werde ich das Bundesligafinale, die Finals und die Deutsche Meisterschaft in Wiesbaden als Kampfrichterin betreuen.

BSM: Findest du Zeit, selbst deinen Bogen in die Hand zu nehmen für ein Training?

Sabrina Steffens: Das wäre schön. Da ich zwei Kinder mit ganz eigenen Interessen habe, komme ich im Moment nicht selbst zum Schießen. Für den kommenden Sommer habe ich allerdings fest in der Planung, mit meinen Kindern zum Bogensportplatz zu fahren und sie in das Bogenschießen einzuführen. Vielleicht kann ich sie dafür begeistern, und dann habe ich sicher auch mehr Zeit für das Schießen.

BSM: Welche Bogenart schießt du dann vorzugsweise?

Sabrina Steffens: In der Vergangenheit habe ich Erfahrungen mit allen Bogenarten gemacht. Mein Herz schlägt allerdings für den Recurvebogen.

BSM: Danke für das Gespräch. Wir wünschen dir viel Freude und Erfolg bei allen Projekten, in denen du dich so leidenschaftlich engagierst.

Editorial zur Ausgabe 02/2023

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

als Medienmensch gehört es zwangsläufig auch zu meinen Aufgaben, mich mit dem (durchaus spannenden) Thema Künstlicher Intelligenz auseinanderzusetzen. Gesagt, getan. So habe ich, wie es derzeit gerade Usus ist, versucht, zumindest Teile dieses Editorials mit Hilfe von ChatGPT (einer hierfür konzipierten Software) zu erstellen. Und, um ehrlich zu sein, war ich über das Ergebnis ziemlich überrascht. Eigentlich hatte ich erwartet, dass der Chatbot nur wirres Zeug herausbringt, und dass es allemal besser ist, mit menschlicher Intelligenz zu arbeiten. Doch das Experiment ging längst nicht so eindeutig aus, wie ich es ursprünglich erwartet hatte. Beispiel gefällig?

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Eine meiner Fragen lautete: „Beschreibe die Aufgaben eines Kampfrichters im Bogensport mit 400 Zeichen“. Als Antwort erhielt ich nach wenigen Sekunden die folgenden 406 Zeichen (ohne Leerzeichen): „Ein Kampfrichter im Bogensport überwacht den Wettkampf, um die Einhaltung von Regeln und Sicherheitsvorschriften zu gewährleisten. Er prüft die Ausrüstung der Teilnehmer, bewertet die Schüsse auf der Zielscheibe und überwacht die Wettkampfbedingungen wie Wetter- und Lichtverhältnisse. Der Kampfrichter muss in der Lage sein, Streitigkeiten zu schlichten und fair und verantwortungsbewusst zu handeln, um die Sicherheit und Fairness des Wettbewerbs zu gewährleisten“. An dieser Antwort ist, zumindest faktisch, nun wirklich nichts verkehrt, allerdings ist sie, zumindest nach meinem Empfinden, auch nicht besonders prickelnd zu lesen – was natürlich auch an meiner Fragestellung gelegen haben könnte …

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Wie gut also, dass sich Sabrina Steffens und Günter Kuhr die Zeit genommen haben, ausführlich (und mit der gebotenen Leidenschaft) über die Aufgaben und nötigen Qualifikationen in dieser Disziplin zu sprechen. Unsere Gesprächspartnerin muss es wissen – sie war damals mit 20 Jahren noch sehr jung und zudem die erste Frau in Deutschland, die in dieser nach wie vor von Männern dominierten Domäne Fuß gefasst hat. Und siehe da, dieses rund vier Seiten umfassende Interview liest sich deutlich kurzweiliger, als die Zusammenfassung unseres KI-Feldversuchs. Wie soll es auch anders sein, wenn eine überzeugte und bewährte Expertin mit 23-jähriger Wettkampferfahrung uns in die Philosophie des Kampfrichterwesens einführt…

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Sie sehen also, ich bin, zumindest bei solchen Texten, unvermindert ein Fan der menschgeschriebenen Berichterstattung und hoffe, Ihnen geht es genauso. Um dies zu erhalten braucht es allerdings auch Menschen, die schreiben können und vor allem, die schreiben möchten. Und diese Spezies scheint bedauerlicherweise immer seltener zu werden. Wie so viele Redaktionen haben auch wir das Problem, sach- und fachkundige Autoren zu finden, deren Herz für den Bogensport schlägt und die, je nachdem wie es die Zeit erlaubt, auch bereit sind, in (un-) regelmäßigen Abständen einen redaktionellen Beitrag für unser Magazin zu schreiben. Wenn Sie jetzt gerade in sich gehen und überlegen, ob das etwas für Sie wäre, lassen Sie es uns doch einfach herausfinden. Wir sind vielleicht netter, als Sie denken und obendrein noch bereit, Ihren Beitrag in Form eines Honorars wertzuschätzen. Sie erreichen uns am besten per Mail an redaktion@bogensport.de – wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen!

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Abschließend, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich Ihnen viel Spaß bei der Lektüre unserer neuen Ausgabe und wenn Sie, was hoffentlich nicht passieren wird, den ein oder anderen Fehler entdecken sollten, können Sie getrost daraus schließen: Hier waren echte Menschen am Werk.

Herzlichst,

Ihr BSM-Team

 

In unserer Rubrik Altausgaben können Sie diese (und andere) Ausgaben online bestellen und sich bequem per Post liefern lassen.

Abschied vom mexikanischen Jugendnationalspieler Carlos Vaca

Carlos Vaca, Mitglied der mexikanischen Jugendmannschaften seit 2018, ist diese Woche im Alter von 20 Jahren gestorben. Der aus dem Bundesstaat Querétaro stammende Carlos war Jugendolympionike in Buenos Aires 2018, gewann im vergangenen Jahr die ersten Panamerikanischen Jugendmeisterschaften und nahm am vergangenen Wochenende an den offenen Auswahlspielen für die mexikanische A-Nationalmannschaft in Mexiko-Stadt teil.

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(Quelle Text/Bild: worldarchery.sport)

Ehemalige Olympiasiegerin kehrt 2023 in die koreanische Nationalmannschaft zurück

Ki Bo Bae ist in dieser Saison überraschend in den koreanischen Kader zurückgekehrt, obwohl sie im vergangenen Jahr ihren Rücktritt angekündigt hatte. Das bedeutet jedoch noch nicht, dass die 35-Jährige, die vor allem für ihren Sieg bei den Olympischen Spielen 2012 in London bekannt ist, 2023 auf internationaler Ebene antreten wird.

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(Quelle Text/Bild: worldarchery.sport)