Warum man einen „mentalen Probelauf” haben sollte
Bogensport Magazin
Steve Ruis und Markus Wagner: Hilfen auf dem Weg zum perfekten Schuss.
Viele Top-Schützen berichten, dass sie vor jedem Schuss einen “visualisierten Prozess” nutzen, in dem sie den perfekten Schuss gedanklich ausführen, um ihn dort zu fixieren. Und es sind nicht nur Bogenschützen, die das tun. Man kann das bei dem australischen Golfprofi Jason Day sehen, kurz bevor er dann an seinen eigentlichen Abschlag geht. Warum tun sie dies? Ist das notwendig? Wie funktioniert das? Wir möchten das in diesem Artikel erklären.
Steve macht den Anfang . . .
Erstmals bemerkte ich diese Praktik als eine wissenschaftliche Studie von Basketballspielern veröffentlich wurde. Die spezielle Studie befasste sich mit den Freiwürfen und sie zeigte, dass Basketballspieler, die vor dem eigentlichen Freiwurf einen mentalen Probelauf durchführten (evtl. auch physisch kombiniert ohne Ball), anschließend beim Freiwurf eine höhere Trefferquote aufwiesen.
Wir wissen aus Erfahrung, dass, wenn wir eine repetitive (sich zu wiederholende) Aufgabe haben, der richtige Rhythmus oder das Tempo der Aufgaben oft einen „Sweet Spot“ (ein Optimum) mit sich bringt, der uns eine höhere Erfolgsquote ermöglicht. Verlangsame oder beschleunige diesen Ablauf und die Fehlerquote steigt. Das Argument: Der vorangehende Versuch ist die Vorlage für den nächsten Schritt – die Ausführung. Auch im Bogensport akzeptieren wir diese Argumentation. Wenn wir nach einer Serie von guten Schüssen einen schlechten Schuss haben, so wurde dieser Fluss unterbrochen und es fällt uns schwer, zur richtigen Vorlage zurück zu kommen.
Tests mit erfolgreichen Bogenschützen, die diese Praktik anwenden und empfehlen, sollten für andere Bogenschützen überzeugend genug sein, um diese Technik zumindest einmal auszuprobieren. Mehr darüber zu wissen muss nicht unbedingt hilfreicher sein und wird dem Schützen eher im Wege stehen.
Das „Warum“ erscheint mir offensichtlich. Dieser mentale Probelauf ist ein Weg für unser Bewusstsein, um mit unserem Unterbewusstsein zu kommunizieren, um den gewünschten Ist-Zustand zu erreichen. Wir haben ungefähr drei Bereiche von Prozessen, die unseren Körper kontrollieren: Einer ist autonom. Das sind Dinge wie die Geschwindigkeit, mit der unsere Herzen schlagen und unsere Atemfrequenz, die im Grunde automatisch ablaufen und wo keine Aufmerksamkeit notwendig ist.
Versuchen Sie ein einfaches Experiment: Nehmen Sie ein Stück zerknülltes Papier und werfen Sie es in einen Mülleimer in Ihrer Nähe. Was waren Ihre bewussten Gedanken während dieses Prozesses? Haben Sie die Masse/das Gewicht des Papierballs geschätzt? Und dann berechnet, wie viel Kraft benötigt wird aufgrund der Schwerkraft und der Distanz zum Mülleimer und den richtigen Abwurfwinkel, um diesen dann zu treffen? Nein? Das sind Beispiele für unbewusste Verarbeitungen. Und ich habe noch nie jemanden getroffen, der das wirklich so getan hat.
Der einzige bewusste Anteil hier war, dieses kleine Experiment zu machen und das Stück Papier und den Behälter zu wählen, um es dort rein zu werfen. Der Rest wurde durch den mentalen Prozess erledigt, dessen wir uns nicht bewusst sind. Bogenschießen ist eine so unbewusste Tätigkeit.
Der ganze Sinn eines mentalen Probelaufs ist es, dem Unterbewusstsein die Anweisungen zu geben, was wir erreichen wollen. Unser Bewusstsein kann kleine Veränderungen in diesen Anweisungen geben, um auf Dinge wie Wind (Aim off!) oder eine runterlaufende Uhr zu reagieren (schnellerer Schussablauf!). Aber es kann nicht verwendet werden, um den Grundablauf des Erlernten zu ändern, da dieses vorher nicht praktiziert wurde. Die Anweisungen wären relativ vage, was dazu führt, dass die Ergebnisse weitgehend variabel werden.
Das “Wann” ist der einfachste Teil. Wegen der psychologischen Begrenzung von Erinnerungen und weil es sehr schwer ist, etwas im Bewusstsein zu halten was länger als ca. 9 Sekunden her ist. Unsere Aufmerksamkeit verlagert sich ständig, da es sehr schwer ist, sich nur auf eine einzige Sache zu konzentrieren, während wir alle anderen Dinge weiterhin wahrnehmen. Also ist der beste Zeitpunkt für den mentalen Probelauf dann, bevor wir den Bogen hochnehmen. Das gibt uns genügend Zeit für den Schuss, da die unterbewussten „Anweisungen” noch frisch sind. Dieser Vorgang markiert die Grenze zwischen Schussvorbereitung und dem Schuss selbst.
Das “Wie” wird bestimmt durch unsere mentale Fähigkeit und nicht nur durch das, was wir tun oder sein wollen. Es gibt ein Sprichwort: „Unser Unterbewusstsein kann nicht zwischen Realität und lebhafter Phantasie unterscheiden!” (Ich wünschte, das wäre nachprüfbares Wissen. Wenn dem so ist, bin ich mir dessen nicht bewusst.) Das Schlüsselwort hier ist „lebhaft”. Der mentale Probelauf sollte so viele Sinnesmaßstäbe beinhalten, wie Ihre Vorstellung dazu in der Lage ist: visuell, auditorisch, olfaktorisch, taktil (das Sehen, das Hören, das Riechen, das Fühlen usw. von dem perfekten Schuss). Der Schuss muss in Ihrer Vorstellung perfekt sein, weil es das ist, worauf hin unser Unterbewusstsein ausgerichtet ist.: „Führe den perfekten Schuss aus!“ Die Fähigkeit, dass auch zu tun, verbessert sich mit der Praxis.