29.06.2017

Du brauchst ein starkes Mentalprogramm

Das Schießen vereint viele mentale Aspekte in sich, aber wenn ein Bogensportler davon spricht, dass „ein mentales Programm abläuft“ oder er einem „inneren Plan“ folgt, meint er normalerweise, dass er sich mit etwas beschäftigt, während er die Pfeile fliegen lässt.

Wir schieben jetzt alle Gedanken über die mentale Seite des Bogenschießens wie im Training, beim Rekorde holen, der Planung usw. zur Seite und befassen uns damit, wie solch ein Mentalprogramm aufgebaut und kreiert wird.

Ich sage, dass Mentalprogramme „kreiert“ werden, weil es sich dabei um ganz individuelle Strukturen handelt. Die meisten versierten Mentaltrainer (oder auch „Gurus“ wie Lanny Bassham) vermeiden es, Beispiele von Mentalprogrammen zu geben, weil das die Leute ablenkt. So glaubt der jeweilige Leser „das Programm eines Champions muss ja gut sein, also übernehme ich es so“, was das eigene Nachdenken über und das Entwickeln eines solchen Plans einschränkt, da der Leser einfach nur ein Mentalprogramm kopiert. Damit das nicht passiert, werde ich die Vorgehensweise und Planung in drei Phasen einteilen: Es geht darum, was vor, während und nach dem Schuss zu tun ist.

Bevor jemand völlig durcheinander kommt: Es ist zu beachten, dass alle Mentalprogramme beim Bogenschießen auf der Schussabfolge des jeweiligen Schützen basieren. Falls du oder dein Schüler keinen Schussablauf haben sollten, muss zu allererst hier mit der Arbeit begonnen werden.

Eine Schussabfolge ist einfach eine Liste, wie ein Schuss ausgeführt wird. Die einzelnen Aktionen werden in der Reihenfolge ausgeführt, wie sie gelistet sind und diese Liste ist keine – ich wiederhole – keine Checkliste, die man abarbeitet, während man schießt! Sie liefert den Rahmen für Diskussionen, ist Grundlage für die Planung des Trainings und unterstützt die geistige Arbeit beim Entwickeln eines Mentalprogramms. Aber: Kein Schütze darf sich gedanklich durch diese Abfolge Stufe für Stufe hindurcharbeiten, während er schießt. Okay, ja, ich hatte einige Trainierende, die genau das taten und war völlig baff, als sie mir erzählten, dass sie es so machen würden. Ich hatte nicht im Geringsten vermutet, dass sie das tun könnten. „Schießen nach Checkliste” ist nämlich etwas, was ganz im Unterbewussten ablaufen muss. Glaubt mir: Wenn es bewusst abläuft, kann da nichts Gutes dabei herauskommen.

Die Schussabfolge beschreibt einen reproduzierbaren Schuss, ist etwas, was nahezu automatisiert ablaufen soll. Daher ist sie auch so individuell. Vielleicht ist deine Abfolge mit denen anderer vergleichbar, vielleicht aber auch nicht. Niemand sollte sich damit beschäftigen, ein Mentalprogramm für sich zu generieren, bevor er nicht in der Lage ist, stabile, reproduzierbare Schüsse auszuführen. Es ist gut, sich damit früh zu befassen, aber zu früh ist keine gute Idee.

Wer bestrebt ist, ein Mentalprogramm zu kreieren und hofft, so das Schießen zu lernen, ist auf dem Holzweg. Die mentalen Aspekte eines solchen Programmes müssen an eine Zeitachse angepasst sein und die wird durch die Schussabfolge vorgegeben. Gedankliche Strukturen, die nicht in die Zeitlinie passen, driften ab und stören nur. Zunächst gilt es also ein Schütze mit einer annehmbar gleichmäßigen Schießleistung zu werden und dann so schnell wie möglich ein Mentalprogramm zu entwickeln.

Was vor, während und nach dem Schuss zu tun ist. In der neuen Ausgabe 4/2017.