22.05.2017

Das Ausbalancieren des Bogens

In diesem Artikel geht es um das Ausbalancieren des Compoundbogens mit Hilfe von Stabilisatoren. Er befasst sich nicht nur mit den physikalischen Grundlagen, sondern beschreibt vor allem auch was konkret zu tun ist, um optimal eingestellt schießen zu können. Von Larry Wise.

In einem Wimpernschlag legt eine Sehne die 20“ Strecke in Richtung Ziel zurück. Sie braucht dafür 0,015s. Der Pfeil verlässt die Sehne so schnell, dass man es mit bloßem Auge nicht sehen kann. Es passiert sehr viel in diesen 0,015 Sekunden. In dieser Zeit wird der Pfeil wird Richtung Ziel beschleunigt, aber die Wurfarme, das Mittelteil und die Rollen bewegen sich ebenfalls. Während sich der Pfeil, Sehne, Wurfarme und Rollen sich in die Richtung des Ziels bewegen, bewegt sich das Mittelteil in die entgegengesetzte Richtung und drückt in die Bogenhand. Dies geschieht nach dem dritten Satz der Newtonschen Mechanik: Jede Kraft erzeugt eine gleich große Gegenkraft.

Wie sich das Mittelteil in diesem „Wimpernschlag“ verhält, hat maßgeblichen Einfluss darauf, wo der Pfeil auftrifft und wie beständig dies geschieht. Mit anderen Worten: Die Genauigkeit hängt von dem Verhalten des Mittelteils (dynamisches Verhalten), während des kurzen Zeitraumes ab, in dem die Wurfarme und die Sehne den Pfeil aus dem Bogen beschleunigen. Wenn der Pfeil die Sehne erst einmal verlassen hat und frei fliegt, haben weder der Bogen noch der Schütze Einfluss auf den Pfeil.

Daher müssen die Bedingungen, unter denen der Pfeil abgeschossen wird, mit großer Sorgfalt optimiert werden, um sicherzustellen, dass der Pfeil das Ziel an der gewünschten Stelle trifft.

 

Die Bedingungen enthalten folgende Faktoren:

  1. Die Zielrichtung des System Bogen/Pfeil
  2. Die Platzierung der Bogenhand
  3. Ein gleichmäßiges Lösen
  4. Der dynamische Spine und Flugeigenschaften des Pfeiles
  5. Die gleichmäßige Performance des Systems Wurfarme/Rollen
  6. Die physikalische Balance des Bogens

Der Schütze hat die direkte Kontrolle über alle genannten Faktoren. Die Entwicklung eines guten Schussaufbaus und -ablaufs kümmert sich um Faktor eins, zwei und drei. Gutes Bogen- und Pfeiltuning kümmert sich um Faktor vier und fünf. Dieser Artikel kümmert sich um Faktor sechs. Das Ausbalancieren des Bogens mit Hilfe von Stabilisatoren. Es geht nicht um die Dämpfung von Vibrationen und Geräuschen. Zwei Dinge, die Stabilisatoren ebenfalls sehr gut können. Es geht nur um die Balance. Dabei wird des Fokus auf die etwas komplizierteren, einstellbaren Stabilisatoren gelegt.

 

Bogen-Balance und dynamische Arbeit

Wenn die Sehne gelöst wird, bewegt sich das Mittelteil und alle daran befestigten Teile, wie Visier und Pfeilauflage. Dies ist eine sehr heftige Bewegung. Von daher ist es sehr wichtig zu verstehen, wie man diese Bewegung kontrollieren kann, um die eigene Präzision verbessern zu können.

Hier ein paar Fakten, die moderne Compoundbogen betreffen. Das gesamte „System Bogen“ ist sehr stark aus der Balance, bevor man einen Stabilisator anbringt. Die Mittelteile mit Durchschusssystem helfen ein wenig den Bogen nach links oder rechts zu balancieren. Dies wird aber sofort gestört, wenn ein Visier und Pfeilauflage an einer Seite angebracht werden. Der Schwerpunkt verlagert sich zu der Seite und das System muss mit einem Stabilisator ausbalanciert werden.

 

BOGENHAND: Wenn die Bogenhand am Griff platziert wird, geschieht dies unterhalb der geometrischen Mitte des Bogens. Dies bedeutet, dass die Hand eine Kraft auf die untere Hälfte des Bogens ausübt. Als Folge bewegt sich der obere Wurfarm in Richtung des Schützen. Sie „pitched“. (pitch ist ein Begriff aus der Luftfahrt, der das Heben oder Senken der Flugzeugnase beschreibt. Siehe auch Bild mit dem Flugzeug)

 

NOCKPUNKT: Bei den meisten Bögen ist der Nockpunkt oberhalb der geometrischen Mitte. Im Vollauszug sorgt dies ebenfalls für einen pitch des oberen Wurfarmes in Richtung Schützen.

 

MITTELTEIL DESIGN: Die Massenverteilung zwischen der oberen und unteren Hälfte eines Mittelteils ist ungleich. Bei manchen mehr, bei anderen weniger. Während des Lösens beeinflusst die ungleiche Masse den pitch, roll und yaw (Drehmoment) des Mittelteils, während es sich in die Hand drückt.

 

MITTELTEIL DESIGN 2: Die seitliche Massenverteilung ist durch das Bogenfenster ebenfalls unterschiedlich. Die meisten Mittelteile drehen in Richtung der Kabelseite. Mittelteile mit Durchschusssystem haben eine bessere Links/Rechts-Masseverteilung und sind daher weniger anfällig für dreidimensionales Verwinden während des Abschusses.

 

VISIER: Jedes Visier, das an einer Seite an einem Bogen angebracht wird, erhöht das Gewicht auf dieser Seite. Je schwerer das Visier ist, umso mehr kommt der Bogen aus der Balance und muss mit Gegengewichten wieder in Balance gebracht werden. Eine Pfeilauflage erhöht auch das Gewicht an einer Seite.

 

GEWICHT DER ROLLEN: Heutzutage haben die meisten Compound asymmetrische Cams (Rollen). Das heißt, dass das obere und untere Cam unterschiedliche Form und Masse haben. Symmetrische Cams haben die gleiche Form und Masse, wie die Compound in den 70er- und 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Diese Cams/Rollen werden beim Lösen in eine Drehbewegung versetzt. Jede Drehung erzeugt ein Drehmoment. Bei unterschiedlichen Größen und Massen hat man unterschiedliche Drehmomente. Diese mögen vielleicht klein sein, aber sie sind ein Teil der Gleichung für die dynamische Bogenbalance.

 

Dies sind die meisten Fakten in Bezug auf das System Bogenmittelteil/Wurfarme/Cams. Es ist nicht in Balance, kann aber mit Gewichten; in eine dynamische Balance für die 0,015 Sekunden des Lösens gebracht werden. Wenn ein System ausbalanciert ist, werden in der Regel auch bessere Gruppen geschossen.

 

Dabei sollte man aber immer folgende Regel beachten:

Schraube niemals etwas an deinen Bogen, solange es nicht die Gruppierung verbessert.

Manch einer vergisst diese Regel und schraubt Zubehör und Stabilisatoren an seinen Bogen ohne zu überprüfen, ob es seine Gruppen verbessert. Es ist sinnvoller zu überprüfen, ob ein neues Zubehör die Gruppierung verbessert und es nicht nur deswegen an seinen Bogen zu schrauben, weil es ein anderer auch hat.

 

Der Zweck eines Stabilisators und seine Konstruktion

Die Aufgabe eines Stabilisators ist es sämtliche Bewegungen des Mittelteils zu dämpfen, außer der horizontalen in Richtung Bogenhand. Der Stabilisator muss das Pitchen, Rolling und Yawing dämpfen. Dies ermöglicht dem Schützen den Pfeil präzise und beständig in Richtung Ziel zu schießen. Die überschüssige Energie vom Abschuss (ca. 20 Prozent der gespeicherten Energie) und unerwünschte Verdrehung (Torque) der Bogenhand müssen gedämpft oder aufgelöst werden. Es ist die praktische Anwendung des physikalischen Grundsatzes, dass eine Masse in Ruhe solange in Ruhe bleibt, bis eine Kraft auf sie ausgeübt wird. Die Form und die Materialien spielen dabei eine große Rolle wie gut ein Stabilisator dies kann.

Gewicht und seine Distanz zum Bogen und wie es sich einer Bewegung widersetzt, spielt eine Rolle. Das Material aus dem das Rohr gefertigt ist und wie es Schwingungen dämpft, sind ebenfalls wichtige Randbedingungen beim Design eines Stabilisators.

Balance sorgt dafür, dass sich der Bogen anfühlt, als wäre er ein Teil des Körpers. Ein Set mit einstellbaren Verbindungen und einem Extra-Set an Gewichten ermöglicht dies zu erreichen. Ein Bogen in der richtigen Balance kann in einer senkrechten Linie in Richtung Ziel gehoben werden. Er ist nicht in der Form verkantet, dass die Spitze entweder nach links oder rechts fällt. Es fällt nicht schwer den Bogen ruhig zu halten und wenn der Bogen von alleine senkrecht steht minimiert sich auch die Gefahr rechts oder links vorbei zu schießen.

 

Setup von einem Scheibenbogen

Zu Anfang muss der Bogen fertig zum Schießen sein. Das heißt Visier, Pfeilauflage, Peep, Nockpunkt müssen montiert sein. Das einzige was fehlt, ist die Stabilisation.

Schritt 1: Den Bogen in einen Balancer einspannen

Falls keiner zur Hand ist, kann der Bogen auch locker in der Hand gehalten werden.

Schritt 2: Den Mono anschrauben

Den Mono am Rücken (in Richtung Ziel) des Bogens mit einem kleinen Gewicht befestigen. Die Länge des Mono ist persönlicher Geschmack. Man sollte aber bedenken, dass beim Ausbalancieren die Physik ebenfalls ein Wörtchen mitspielt, da mit dem Gegenstabi auf der anderen Seite ein Hebelsystem aufgebaut wird.

Schritt 3: Den Kurzstabi anschrauben

Der Kurzstabi (zwischen 8“ und 15“) wird an einer Offset-Bar in Richtung Schütze angeschraubt. Zuerst wird nur so viel Gewicht angebracht um einen Ausgleich mit dem Mono zu erreichen. Erst später wird daran gearbeitet eine Links/Rechts-Balance zu erreichen.

Schritt 4: Eine anfängliche Balance zwischen dem Mono und dem Kurzstabi erreichen

Es ist zu diesem Zeitpunkt ist es nicht das Ziel eine perfekte Balance zu erreichen, in der der Bogen senkrecht steht. Der Bogen ist zu diesem Zeitpunkt „statisch“, da er ja nicht geschossen wird. Das Ziel ist aber eine dynamische Balance. Das heißt eine Balance, wenn der Bogen voll ausgezogen ist und man im Anker steht. Diese endgültige Balance kann man nur durchs Testen erfahren. Dabei hat auch das unterschiedliche Design von Mittelteilen einen Einfluss.

Vertikale Balance: Am Anfang wird die vertikale Balance eingestellt. Es hat sich als gute Anfangsannahme herausgestellt, dass der Mono in einem 45° -Winkel nach vorne fällt (pitched). Es müssen entsprechend Gewichte an den Stabilisatoren an- oder abgeschraubt werden.

Links/Rechts-Balance: Die Rechts/Links-Balance sollte so eingestellt sein, dass der Bogen immer senkrecht steht. Dies kann durch das Ausstellen des Kurzstabis erreicht werden. Der Stabi wird dabei solange nach außen gedreht, bis der Bogen von alleine gerade steht. Es können natürlich auch Gewichte hinzugefügt werden, falls das Winkel zu stark wird. Das heißt, dass der Stabi zu weit nach außen gedreht wird, sodass er andere an der Schießlinie behindern würde.

Schritt 5: Testen: Es wichtig das erste Setup der Stabilisation mit einen Papiertest auf fünf bis acht Meter zu testen. Danach ist das Testen auf eine lange Distanz nötig, um die Gruppierung der Pfeile zu überprüfen. Dies geschieht am besten auf Entfernungen von mehr als 35 Meter.

Wie fühlt es sich an? Die Stabilisation muss dafür sorgen, dass sich der Bogen anfühlt, als wäre er ein Teil von einem. Falls es sich „sonderbar“ oder „ungewöhnlich“ anfühlt, wird man immer an die Stabilisation erinnert und kann sich nicht auf den Schuss konzentrieren. 

 

Zusammenfassung

Bogenschießen ist eine wunderbare Art gegen sich selbst anzutreten. Um dies erfolgreich zu können ist eine gute Vorbereitung unerlässlich. Diese umfasst die persönliche Form und das Material. Viel zu oft wird die Balance eines Bogens übersehen oder falsch eingestellt. Dabei kann diese nach dem beschriebenen System relativ einfach eingestellt werden. Mit ein wenig Grundlagen der Physik (Kraft x Kraftarm = Last x Lastarm) kann man relativ präzise herausfinden, welche Gewichte ein Bogen benötigt und wo diese angebracht werden müssen. Mit einem Balancer wird diese Arbeit deutlich vereinfacht.