27.11.2025

5 Fragen an Michelle Kroppen

Anfang November jubelte Michelle Kroppen in Eindhoven, es folgte ein starker 9. Platz bei den GT Open in Strassen – und jetzt stellt sie sich unseren 5 Fragen. Über Finals mit Gänsehaut, mentale Klarheit unter Druck, Teamverantwortung in der Bundesliga und den Blick Richtung Außensaison. 

BSM: Liebe Michelle, herzlichen Glückwunsch zum Sieg bei den JVD Open! Hunderte Schützen, volle Ränge und eine unglaubliche Stimmung – das Event war mal wieder ein echtes Spektakel! Wie hast du die Atmosphäre im Finale erlebt? Kennst du vergleichbare Events, bei denen eine solche Stimmung herrscht? Und war es bei all dem Trubel schwieriger, dich voll auf deinen Schießablauf zu konzentrieren oder konntest du den Moment sogar genießen?
Michelle: Ich muss sagen, JVD Open ist ein ganz besonderes Event. Auch wenn es erst mein zweites Mal vor Ort war, möchte ich diesen Wettkampf nicht mehr missen. Ich kenne kaum einen Wettkampf wo sich Breitensportler und Profis so nah sein können. Und diese Atmosphäre merkt man absolut im Finale. Die Zuschauer haben richtig Lust, sich gutes Bogenschießen anzuschauen und von den Profis zu lernen. Das ist ein tolles Gefühl. Vergleichbar wäre, zumindest im Bereich Compound, das Shoot-Off beim Vegas Shoot. Ich konnte das Finale sehr genießen, man hat im vergleich zu World Archery Events 2 Minuten für seine 3 Pfeile anstatt nur 90 Sekunden und ich habe mir etwas mehr Zeit zwischen den Pfeilen genommen um mich neu zu fokussieren. Es hat einfach nur super viel Spaß gemacht!

BSM: Mit 300-297-300 in der Qualifikation warst du nahezu makellos unterwegs. Gibt eine solche Quali Selbstvertrauen für das Finale – oder beginnt der entscheidende Wettkampf für dich erst, wenn es wirklich im Finale um alles geht?
Michelle:
Ich muss sagen, das erste Ziel welches ich mir gesetzt hatte, war es natürlich, die 900 Ringe zu schaffen. Als mir im 2. Durchgang dann ein Fehler unterlaufen ist und ich die 7 geschossen habe, war ich im ersten Moment natürlich enttäuscht, aber habe es als eine Art wachrütteln wahrgenommen und mir gesagt, dass ich mich ab sofort voll auf das Finale konzentrieren möchte und somit die restlichen Pfeile genutzt habe, ein gutes Selbstvertrauen aufzubauen. Natürlich ist das Finale am Ende der ausschlaggebende Moment, aber egal welchen Wettkampf ich schieße, eine solide Qualifikation gibt natürlich ein gutes Selbstvertrauen.

BSM: Während du in den Niederlanden auf dem Podium gefeiert hast, musste dein Bundesliga-Team den ersten Spieltag ohne dich bestreiten – und der Start in die Saison lief noch nicht wie erhofft. Aus deiner Erfahrung – ist ein Comeback vom Tabellenende noch realistisch, auch wenn alle Teams stark aufgestellt sind? Und mit Blick auf die nächsten Spieltage: Welche Rolle möchtest du dabei im Team übernehmen?
Michelle:
Natürlich lief der erste Tag für Ebersberg nicht ganz wie erhofft. Aber ich weiß, dass auch wir es an guten Tagen schaffen können, viele Punkte zu sammeln. Ich will gar nicht davon sprechen, dass wir die Tabellenspitze wollen, aber wir werden in den nächsten 3 Spieltagen alles daran setzen, in die obere Tabellenhälfte zu kommen und uns fürs Finale zu qualifizieren. Meine Rolle dabei? Nun ja, ich würde behaupten in erster Linie 10er schießen😅 Ich denke ich habe sowohl in Eindhoven als auch in Strassen gute Ergebnisse erzielt, und wenn ich es schaffe die Leistung auch in der Liga abzurufen, kann ich hoffentlich einen großen Teil dazu beitragen, dass das Team Punkte holt

BSM: Du trainierst auf hohem Niveau, reist zu internationalen Wettkämpfen und bringst konstant starke Leistungen. Wie gelingt es dir, Motivation und Ausgleich zu finden?  Gibt es Momente, in denen du bewusst einen Schritt zurücktrittst, um neue Energie zu tanken?Michelle: Ich denke die größte Motivation ist das Umfeld. Unsere Mannschaft, oder auch das Team, welches gemeinsam am Stützpunkt in Berlin zusammen trainiert, ist in den letzten Jahren echt zusammengewachsen. Und wenn das gemeinsame Training auch an harten Tagen trotzdem Spaß macht, und man gemeinsam da durch geht, ist es natürlich leichter. Dazu kommt noch, dass auch meine Partnerin Bogenschützin ist. Auch wenn sie im Ausland wohnt, ist das gemeinsame Hobby und der tagtägliche Austausch eine Motivation, gemeinsam Schritte nach vorne zu machen und gemeinsam Ziele zu erreichen. Vor allem in der Hallensaison reisen wir gemeinsam und bestreiten die Wettkämpfe zusammen. Und wenn man sich dann noch gegenseitig fördern, aber auch fordern kann, dann gibt das eine positive Energie.
Trotzdem muss auch ich auf meinen Körper hören, und ab und an einen Gang runterfahren. Aber das gibt neue Energie für die Wochen, die danach kommen.

BSM: Nach diesem starken Saisonauftakt: Welche Ziele setzt du dir für die Hallensaison – und inwiefern hast du dabei schon die Außensaison 2026 im Blick?
Michelle:
Für die Hallensaison setze ich mir nie wirklich Ziele. Ich nutze diese Wettkämpfe vor allem dazu, auch in der Wintersaison meine Technik und meine mentalen Fähigkeiten unter Druck zu testen, damit ich keine lange Periode habe, in der ich keine Wettkämpfe schieße und um zu merken, welche Fehlerquellen eventuell unter Druck auftreten könnten, um dann im Training daran zu arbeiten. Das hilft mir meiner Meinung nach dabei, schon früh in der Freiluftsaison bereit für Wettkämpfe zu sein. Wenn dabei natürlich das ein oder andere Podium dabei ist, dann nehme ich das auch gerne mit, denn das gibt viel Selbstvertrauen. Ich werde noch bei den Berlin Open und in Nimes an den Start gehen, bevor der Fokus dann wieder zu 100% auf 70 Meter gelenkt wird.

BSM: Liebe Michelle, vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!

Foto: Francesco Sterza